Einschätzung Rechtsextremismus 2006/2

Zürich, 31. Dezember 2006

Immer noch marginal, aber so stark wie noch nie

Rechtsextremismus in der Schweiz im Jahr 2006

Am 1. August 2006 kontrollierte ein starkes Polizeiaufgebot alle Zugänge zum Rütli und damit zur traditionellen Feier zum Nationalfeiertag. Die Rütlikommission der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft SGG, hatte – endlich – auf die rechtsextremistische Beanspruchung der Bundesfeier reagiert. Erstmals hatten sich 1996 vereinzelte Rechtsextreme an der Feier bemerkbar gemacht, in den folgenden Jahren erschienen jedes Jahr mehr von ihnen, meist Naziskinheads, aber auch Holocaust-Leugner. Im Jahr 2000 pfiffen sie den damaligen Festredner Bundesrat Kaspar Villiger aus (1), der Aufmarsch erhielt danach erstmals breite öffentliche Beachtung, das Boulevard-Blatt „Blick“ prägte den Ausdruck „Die Schande vom Rütli“. Seither wird Rechtsextremismus in der Schweiz als gesellschaftliches Problem vermehrt wahrgenommen.

Doch die Rütlifeier-Organisatoren blieben bei der traditionellen Form – mit den Versatzstücken der rückwärtsgewandten Sonderfallideologie: Abschottung nach aussen, Betonung der bäuerischen Vergangenheit und Ausgrenzung von Ausländern und Nichtbürgerlichen. Erst nachdem am 1. August 2005 fast die Hälfte der Anwesenden auf dem Rütli mit den Rechtsextremisten standen und den Redner, SVP-Bundesrat Samuel Schmid, auspfiffen und beschimpften, wenn dieser von „Integration“, „Demokratie“ und „Religionsvielfalt“ sprach, sah die Rütlikommission Handlungsbedarf. Im Januar verkündete sie, dass 2006 BesucherInnen der Bundesfeier nur mit einem Ticket auf die Wiese gelassen würden und man Rechtsextremisten fernhalten wolle. Resultat der hilflosen Bemühungen: Ein paar wenige Rechtsextremisten schafften den Zugang zum Rütli, wurden aber weg gewiesen. Ingesamt kamen viel weniger Besucher,  die Feier blieb stimmungslos, und die hohen Sicherheitskosten ärgerten die Kantonsregierungen von Uri und Schwyz.

Rechtsextremisten waren am Nationalfeiertag trotzdem nicht untätig geblieben. Am Morgen hatte rund eine Hundertschaft von ihnen versucht, auf das Schloss Lenzburg vorzudringen, wo Bundesrat Samuel Schmid eine Rede hielt. Am Nachmittag formierten sie – nach einer Ansprache von SVP-Bundesrat Christoph Blocher – einen Umzug durch Uster. Am Abend feierten sie dann in Trüllikon bei Andelfingen, nachdem sie vorher in einem Fackelzug durch das Dorf defiliert waren (2). Der 1. August ist in den vergangenen Jahren zum wichtigsten Tag für das rechtsextremistische Milieu der Schweiz geworden.

Gegen die aufwändige Vereitelung des Rütli-Aufmarsches wurde Kritik laut, insbesondere von Exponenten des nationalkonservativen Lagers. Einzelne verharmlosten dabei die rechtsextremistische Lage insgesamt. Bereits im Vorfeld sprach der SVP-Nationalrat und AUNS-Geschäftsführer Hans Fehr von „einigen pubertären Spinnern und ihren Mitläufer“ (3). Ein bezeichnender Vorgang: Immer wieder sind es SVP-Vertreter, die entweder die Gefahren und Auswirkungen des Rechtsextremismus verharmlosen oder Engagierte gegen Rechtsextremismus angreifen. Fakt ist: Der Schweizer Rechtsextremismus gedeiht im grossen Schatten des nationalkonservativen Lagers, dieses liefert – mit diskriminierenden Kampagnen – die Zielopfer des Hasses.

Seit Mitte der 80er Jahre und mit dem Aufkommen der nationalkonservativen Bewegung haben sich in einem Teil der Schweizer Gesellschaft nationalistische – gelegentlich rassistisch motivierte – Deutungsmuster für gesellschaftliche und soziale Probleme aller Art festgesetzt, seien es beispielsweise die sozialen Folgen illegaler Drogen oder Bildungsprobleme in den Volksschulen. Neben einigen Kleinparteien fördert auch die Regierungspartei SVP mit diffamierenden Kampagnen ein diskriminierungsfreundliches Klima. Insgesamt verfügt das nationalkonservative Lager über eine Vielzahl von Organisationen (wie die AUNS), Publikationsmöglichkeiten (beispielsweise Ulrich Schlüers „Schweizerzeit“) und finanziell potente Mitglieder sowie eifrige Exponenten, insbesondere auch Leserbriefschreiber. Es gelingt dem nationalkonservativen Lager immer wieder, die Themen der politischen Auseinandersetzung zu bestimmen. Allerdings hat es in den vergangenen Jahren alle Volksabstimmungen zum Thema „Verhältnis Schweiz-Ausland“ verloren. Siegreich war dieses politische Lager – im Verbund mit allen bürgerlichen Parteien – im Jahr 2006 bei der Verschärfung der Ausländer- und Asylgesetze.

Im Schatten des nationalkonservativen Lagers hat sich seit 1985 eine marginale, jedoch wellenförmig wachsende rechtsextremistische Subkultur etabliert, die vorwiegend aus jungen männlichen Erwachsenen, konkret aus Naziskinheads und „Patrioten“ besteht, aber auch aus wenigen Holocaust-Leugnern, aus Aktivisten in politischen Projekten und Militanten in kulturell-politischen Organisationen und Einzelprojekten, die durch ideologische Arbeiten die rechtsextremistische Szene vorantreiben wollen. Wie aber hat sich diese rechtsextremistische Szene im Jahr 2006 entwickelt?

Zwar gab es seit Ende des Zweiten Weltkrieges vereinzelte Bestrebungen von unbelehrbaren Nationalsozialisten/Faschisten, beispielsweise des Lausanners Gaston-Armand Amaudruz (4). Doch erst seit Mitte der 80er Jahre bildete sich in der Schweiz allmählich eine rechtsextremistische Subkultur mit einem ersten ‚Höhepunkt‘ im „kleinen Frontenfrühling“ von 1989 (5). Die zahlenmässig stärkste Teilgruppe waren und sind die ‚Skinheads‘, genauer die Nazi-Skinheads, die sich zwar nur schwer in politischen Strukturen organisieren lassen, doch die einschlägige Ideologie in einem subkulturellen Milieu vor allem auch durch Veranstaltungen, insbesondere Konzerte, pflegen. Es waren immer wieder Naziskinheads, die in den vergangenen fünfzehn Jahren als Täter von Brandanschlägen auf Asylbewerber-Unterkünfte, Angriffen auf missliebige Personen und einschlägigen propagandistischen Akten überführt werden konnten. Der Täter-Ideologie folgten also entsprechende Taten.

Subkultureller Rechtsextremismus – Naziskinheads und „Patrioten“

Der zahlenmässig grösste Teil der Schweizer Rechtsextremen trifft sich in subkulturellen Strukturen, vorwiegend als Naziskins, selten als NS-Heavy-Metal (6) oder bei Gothic-Darkwave (7). Daneben existieren organisatorisch schwach strukturierte Gruppen oder Cliquen von „Patrioten“; sie sind eher Milieu denn Szene. Die „Patrioten“ zeichnen sich durch einen militanten Nationalismus, aggressive Ablehnung von missliebigen Ausländergruppen (zum Beispiel Männer aus den verschiedenen Ländern des ehemaligen Jugoslawiens, Menschen aus Afrika und Asien) wie auch von linken Schweizern aus. Die Übergänge dieses Milieus sind fliessend, einerseits zu den rassistischen Naziskins, andererseits auch zu nationalkonservativen Gruppen und Parteien.

Die Jugend-Subkultur „Skinheads“ entstand Ende der 60er Jahre in Grossbritannien, ihr gehörten vorwiegend männliche Jugendliche aus dem Arbeitermilieu an. Skinheads waren Fussball und Alkohol zugetan und liebten Ska, die Musik jamaikanischer MigrantInnen. Sie suchten den Kitzel einer gelegentlichen Randale, sie waren gegen langhaarige Jugendliche, insbesondere Hippies, und auch gegen indischstämmige Einwanderer, jedoch noch nicht explizit rechtsextremistisch oder neonazistisch (8). Erst Anfang der 80er Jahre, als die beiden britischen Faschistenparteien National Front und British National Party versuchten, in den Fussballstadien Mitglieder anzuwerben, bildete sich eine Naziskin-Bewegung aus. In der Schweiz tauchten erste rechtsextremistische Skinheads Anfang der 80er Jahre in Zürich auf, vielfach im Umfeld von militanten Fussballfans/Hooligans, damals insbesondere der „Hardturmfront“.

Seit mehreren Jahren bewegen sich Schweizer Naziskins meist in lokal oder regional verankerten Gruppen oder Cliquen, die weder eine formelle Führung noch einen Namen haben. Naziskins sind vielfach 15 bis 25 Jahre alt, arbeiten in einem handwerklichen Beruf und leben in dörflichen oder kleinstädtischen Verhältnissen. Oder wie es der Dienst für Analyse und Prävention (DAP) ausdrückt: „Die rechtsextreme Szene besteht aus vielen kleinen Gruppierungen. Diese sind meist nicht strukturiert, sondern halten lose zusammen und wechseln häufig die Zusammensetzung und den Namen.“ (9) Die rechtsextreme Szene in der Schweiz, so das DAP weiter, verfüge „weder über eine einheitliche Weltanschauung noch über eine gemeinsame Basis. Man kann heute von insgesamt gegen 1000 Rechtsextremen in der Schweiz ausgehen.“ Und zur Bedrohung meint das DAP zutreffend: „Rechtsextrem motivierte Aktivitäten gefährden teils punktuell, teils lokal erheblich die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Die Schweiz gilt nach wie vor als attraktiver Standort für Skinheadkonzerte und ähnliche Veranstaltungen.“ (10) Was das DAP „punktuelle Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ nennt, kann allerdings für Angehörige von missliebigen Minderheiten gravierende Folgen – beispielsweise schwere Verletzungen – in sich bergen. Im Jahre 2005 mussten sich beispielsweise sechs Naziskins aus dem Kanton Zürich vor dem Bezirksgericht Frauenfeld verantworten, da sie im Frühling 2003 einen 15-jährigen Reggae-Fan dermassen niedergeschlagen hatten, dass dieser lebenslänglich behindert bleiben wird. Motiv der Täter: Sie wollten am Tatabend „Linke jagen“(11). Das Obergericht Thurgau hat im Mai 2006 einen Teil der Strafen erhöht. (12)

Hammerskinheads und Blood and Honour

Obwohl die Naziskin-Szene in der Schweiz wenig strukturiert ist, können sich seit Jahren zwei international vernetzte Organisationen halten: Einerseits die Hammerskinheads, die 1986 in Houston/Texas als weisse rassistische Bruderschaft gegründet wurden und unter anderem „weisse Gebiete für weisse Menschen“ (white areas for white people) anstreben, andererseits die in England 1987 entstandene Blood and Honour, als „Independent Voice of Rock against Communism“ gegründet. Sie ist eine „politische Organisation ohne Mitgliederausweis“ (13), welche die neonazistische Ideologie mit eigenen Zeitschriften, dem Vertrieb von einschlägigen Devotionalien und Tonträgern wie auch der Organisation von Konzerten verbreiten wollte und will. Im Blood and Honour-Umfeld bildete sich auch eine terroristische Organisation (Combat 18, wobei die Ziffer „18“ für Adolf Hitler steht), die für Anschläge in Grossbritannien und Schweden verantwortlich war.

Beide Organisationen haben auch Ableger in der Schweiz. Bereits Anfang der 90er Jahre gründeten Innerschweizer Naziskins eine Schweizer Sektion, heute die älteste noch bestehende europäische Sektion der „Hammerskin-Nation“. Die Schweizer Hammerskinheads (SHS) gelten als gewiefte und erfolgreiche Konzert-Organisatoren. In den vergangenen Jahren richteten sie immer wieder grosse Konzert aus, am besucherstärksten war das „Sommerfest“ 2002, an dem rund 1‘200 BesucherInnen aus mehreren europäischen Ländern anwesend waren.

Eine Schweizer Blood and Honour-Sektion entstand erst 1997/98, zuerst in der Deutschschweiz, dann in der Westschweiz, deren Exponent, der Ex-Hammerskin Olivier Kunz (14), sich sowohl als Konzertveranstalter, Zeitschriftenherausgeber als auch eine Zeit lang als Betreiber eines Musikträgerversandes hervortat. Nach Kunz‘ Verurteilungen wegen Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm wie auch dem Verbot weiterer Naziskinhead-Konzerte  – allen voran durch den Kanton Waadt (15) – gingen die Aktivitäten jedoch markant zurück, wenn auch Blood and Honour Romandie sowohl 2003 und 2004 als Mitorganisator von Kundgebungen in Erscheinung trat (16). Im Jahr 2004 gab es auch verschiedene Hinweise auf eine Zürcher Sektion von Blood and Honour, doch ist über diese noch nichts Näheres bekannt. Im Internet besteht jedoch seit längerem auf einer Combat 18-Page auch ein „Swiss Forum“, das seit Mitte August 2004 aufgeschaltet ist und in dem sowohl Westschweizer wie Deutschschweizer Skinheads auftreten.

Von diesen beiden Naziskin-Organisationen ist 2006 in der Schweiz wenig an die Öffentlichkeit gelangt.

Helvetische Jugend

Die Helvetische Jugend ist eine Umfeld-Organisation der PNOS. Sie wurde Anfang Juli 2004 in der Region Oberaargau (Langenthal und weitere Umgebung) gegründet. Zu ihren Zielen zähle, so die Helvetische Jugend auf ihrer Homepage, dass „der Multikultur ein Ende gesetzt“ werde. Dies will sie unter anderem durch „Rückführung von gewalttätigen Ausländern. Ausländeranteil muss gesenkt werden“ erreichen, weiter mit „Internierungslagern für Asylbewerber“ und „besserer und neutralerer Bildung von Schweizerschulen (nicht weiter linke Stalin und Lenin Propaganda. Trennung von deutschsprechenden Schülern zu nicht deutschsprechenden Schülern.“ Und es solle Schluss sein „mit dem linken, desinformierten Medienterror, wir brauchen neutrale Auskunftgeber.“

Im Jahr 2006 ist von Aktivitäten der Helvetischen Jugend nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. Die Gruppe verfügt zwar weiterhin über eine Internet-Präsenz, doch wurde die Site nicht weiter aktualisiert, nur im Gästebuch finden sich immer wieder neue Einträge.

Nationaler Widerstand am Rigi

Die Gruppe „Nationaler Widerstand am Rigi“ trat erstmals im Jahr 2006 öffentlich in Erscheinung. Unbekannt ist, wie gross die Gruppe ist, ebenso wie ihre ExponentInnen heissen. Sie seien, so schreiben sie auf ihrer Homepage, „eine Vereinigung von jungen Leuten, welche es satt haben  beleidigt, angepöbelt oder sogar zusammengeschlagen zu werden von nichtschweizerischen Jugendlichen, die es sich zur Freizeitaktivität gemacht haben uns Schweizer Jungen fertig zu machen.“ Sie seien „der Widerstand gegen Multikultur, gewalttätige und kriminelle Ausländer, eine orientierungslose Schweizer Jugend, Kinderschänder und Sexualstraftäter, die Zerstörung unserer Umwelt, Drogenverkauf und -Konsum, die Verharmlosung von linker Gewalt, die Unwahrheiten der öffentlichen Medien, die Globalisierung unserer Sprache und unseres Volkes.“ In den eigenen Reihen gelte „eine aufrechte Kameradschaft, ein nationales und völkisches Denken und ein Wille etwas zu ändern.“ Die Gruppe hat im Jahr 2006 drei Flugblätter produziert, ein „Kilbi“-, ein „Multikultur“- und eine „AntiAntifa“-Flugblatt. Im „Kilbi“-Flugblatt heisst es: „Die Kilbizeit wird jedes Jahr von Schlägereien und Drogenkonsum überschattet. Diese Schlägereien werden nicht etwa wegen blosser Trunkenheit gemacht, nein, es geht hier vielmehr um reinen Hass und Böswilligkeit gegenüber Schweizer Opfern welche von, hauptsächlich jungen, Ausländern geschürt wird.“

Im Flugblatt zu den „Auswüchsen der Multikultur“ heisst es: „Denn das Problem liegt in der Vermischung der verschiedenen Kulturen, die in der Schweiz schon drastisch fortgeschritten ist und von „öffentlicher Hand“ auch noch gefördert“ würde. Und in einem „AntiAntifa“-Flugblatt heisst es kurz und bündig, man soll „den roten Chaoten, Multikulti- und Bolschewismussympathisanten“ keine Chance geben.

Bereits vor dem Auftauchen des Nationalen Widerstandes am Rigi tauchten im Internet einschlägige Exponenten aus der Region auf. Anzunehmen ist, dass auch die PNOS-Ortsgruppe Küssnacht am Rigi ihre Mitglieder und Sympathisanten in diesem Umfeld anspricht.

Heimatbewegung

An der 1.-August-Feier 2006 in Trüllikon trat ein Exponent der „Heimatbewegung“ als Redner auf. Es ist der einzige bekannte Auftritt eines Exponenten dieser Organisation, die 2004 oder 2005 gegründet wurde und über ein Postfach in Dübendorf erreichbar ist. Unklar ist, wie viele Mitglieder sie hat und welche internen Aktivitäten sie entfaltet. Die „Heimatbewegung“ verfügt über einen sporadisch nachgeführten Internet-Auftritt, der sich vorwiegend mit Themen wie „Ausländer“ befasst, vielfach ausgelöst durch politische Aktionen des nationalkonservativen Lagers.

Die „Heimatbewegung“ strebt die Auflösung der viersprachigen Schweiz an, sie will nämlich die „Überlebensinteressen der Alemannischen Volksgruppe“ wahren und kämpft „für einen Eidg. Volksstaat in den Grenzen der heutigen Deutschschweiz.“ Ansonsten vertritt sie Programmpunkte, wie sie bei rechtsextremistischen Gruppierungen üblich sind: Förderung des Bauernstandes, Wiedereinführung der Todesstrafe, Abschaffung des jetzigen Asylrechtes, totaler Einwanderungsstopp, Verbot jeder Form von Ausländerintegration und vollständiger Stopp von Einbürgerungen.

Les Identitaires

In den französischsprachigen Ländern  Europas hat sich im rechtsextremistischen Lager eine Strömung verbreitet, die sich Identitaires nennt, sich auf eine ‚europäisch-weisse Identität’ beruft und sich gegen Einwanderung aus anderen Kontinenten ausspricht. In Frankreich hat sich auch eine aktive und militante Splittergruppe „Les Identitaires“ gebildet, die verschiedentlich durch spektakuläre Aktionen aufgefallen ist. In der Schweiz treten zwei verschiedene Organisationen auf, einerseits Les Identitaires de Romandie, andererseits die Jeunesses Identitaires de Genève. Unklar ist, wie viele Mitglieder die beiden Organisationen haben, auch die Exponenten sind bis anhin nicht namentlich bekannt. Beide Gruppen verfügen über einen Internet-Auftritt.

Anfang Juli 2005 kündigten Les Identitaires de Romandie an, sie würden dem Beispiel französischer und belgischer „Cousins“ folgen. Angesichts der Gefahren der Globalisierung, der massiven Immigration, der Auflösung der „schweizerischen und Europäischen Identität“ sehen sie nur eine Wahl „für die Jugend der Westschweiz: handeln oder sich unterwerfen“ (agir ou subir). Und dies alles „für die Romandie, für die Schweiz und für Europa.“  Im Jahr 2006 erschienen zwei Nummern der „Cahiers identitaires romands“, einem primitiv gemachten Heftchen.

Die Jeunesses Identitaires de Genève traten erstmals 2006 an die Öffentlichkeit. Im Sommer 2006 verteilten sie in einem Genfer Quartier Flugblätter gegen einen angeblichen „Schweiz-Hass“ (17). Ende Oktober organisierten sie in Genf eine Kundgebung zum Gedenken an den Ungarischen Aufstand von 1956 und Anfang November fuhren Genfer Identitaires mit Traktor und Karren durch einige Genfer Dörfer und verteilten Flugblätter gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel.

Dark-Wave und NS-Black Metal – zwei Subkulturen mit rechtsextremistischen Tendenzen

Auch in einem kleinen Teil der Dark Wave/Neofolk-Szene konnte sich eine neofaschistisch orientierte Richtung festsetzen, und auch in der Schweiz, vorwiegend in der Westschweiz, finden einschlägige Konzerte statt. Organisiert wurde ein solcher Abend von der Vereinigung „Soleil Noir“, die vom Lausanner Lars Kophal präsidiert wird. In der Selbstdarstellung von „Soleil Noir“ wird die ambivalente Weltanschauung deutlich. Zuerst behauptet sie „unpolitisch“ zu sein, um dann allerdings auch festzuhalten, dass „Soleil Noir“ auf die wurzellose Moderne kotze, wie auch „auf den geistlosen Materialismus und den zerstörerischen Ultraliberalismus, die Arbeiterausbeutung durch das internationale Finanzkapital, die planetweite Globaliserungs-Vereinheitlichung, die grosse seichte Suppe des Multikulturalismus, die Amerikanisierung wie auch die Dritt-Weltisierung“. Sie seien Schweizer und Europäer, und dies ohne Schande oder Schuld zu fühlen (18). Das pessimistische und europazentrierte Kulturverständnis wird politisch verdeutlicht durch lobende Erwähnungen des faschistischen Ideologen Julius Evola. Ein grosser Teil der Dark Wave/Neofolk-Szene steht dieser neofaschistisch inspirierten Minderheit unkritisch gegenüber, manchmal übernehmen auch unkritische Medienschaffende diese Sichtweise (19).

Buch- und Musikversände

Bis vor wenigen Jahren mussten Schweizer Rechtsextremisten sowohl einschlägige Bücher wie Tonträger aus dem Ausland, insbesondere aus Deutschland beziehen. In den Jahren 2004 und 2005 hatte Sacha Kunz, vormals PNOS-Präsident, allerdings den Aufbau eines Tonträgervertriebes und -Labels vorangetrieben. White Revolution Records wolle, so die Ankündigung auf der Homepage, ein Schweizer Musik-Label sein, „das sich zum Ziel gemacht hat, in der Nationalendenkenden Musik Szene mitzumischen“ (Orthografie im Original). Angegliedert sei dem Label „das Tonstudio Swastika Records, wo professionelle Musikproduktionen realisiert werden.“ Im Herbst 2005 gab Kunz seinem Versand den unverfänglicheren Namen Helvetia Versand, später den von Utgard Versand. Das Angebot blieb unverändert und war auch über Internet erhältlich, bis die Aargauer Kantonspolizei bei Kunz im Rahmen eines Verfahrens wegen Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm eine Hausdurchsuchung durchführte. Der Versand hatte eine wachsende Kundschaft, wie die Berner Antifa bereits Mitte August 2005 nachgewiesen hatte. Sie hatte die Kundendatenbank mit über 150 Kundennamen zugespielt erhalten. (20)
Im Sommer 2006 stellte Kunz seine Tätigkeit ein, dies auch nach finanziellen Rückschlägen. Im Winter 2006 verurteilte ihn ein deutsches Gericht zu einer Geldbusse und ordnete gleichzeitig die Einziehung von bereits produzierten Tonträgern an (21). Gegenüber der Boulevardzeitung „Blick“ behauptete Kunz Mitte September 2006: „Ich steige aus.“ (22) Die Zukunft wird weisen, ob dies mehr ist als eine Ankündigung. Kunz war auch Mitglied des Duos „Die Eidgenossen“, das im Jahr 2006 nicht in Erscheinung trat. Fazit: Schweizer Rechtsextremisten müssen ihre Tonträger wieder vorwiegend aus dem Ausland beziehen, ausser sie decken sich an den üblichen Verkaufsständen bei Konzerten ein.

Adrian Segessenmann – Buchversand Neue Zeitenwende und Thor Steinar-Klamotten

Der Buchversand Neue Zeitenwende ist über ein Postfach in Aefligen (Nähe Kirchberg BE) erreichbar, betrieben wird er von Adrian Segessenmann. Der Versand bietet – gemäss Eigeneinschätzung – „Bücher zu diversen Themen“ an, wie „Geschichte, Kultur und Brauchtum, Politik und anderen Themen“. In Realität verbreitet er verschwörungsfantastische Bücher über Geheimbünde, verherrlichende Literatur über die Waffen-SS, dazu Bücher von rechtsextremistischen Autoren wie Jürgen Schwab oder Peter Dehoust. Allerdings hat er sein Angebot im vergangenen Jahr nur unwesentlich erweitert.

Der 27-jährige Adrian Segessenmann ist seit vielen Jahren in der Rechtsextremen-Szene aktiv, unter anderem war er am Hammerskin-Überfall auf ein antifaschistisches Musikfestival in Hochdorf (4.11.1995) beteiligt. Auch ist er gemäss eigenen Aussagen bei der Avalon Gemeinschaft tätig und gehörte zu den Organisatoren jener Vortrags-Veranstaltung, die zu einem Paradigmawechsel beim Tatbestandsmerkmal „Öffentlichkeit“ führte. (23) Segessenmann liess Mitte Juli 2006 auch eine Einzelfirma „Thor Steinar“ ins Handelsregister eintragen, deren Geschäftszweck der Verkauf der in der Neonazi-Szene beliebten Kleider der Marke Thor Steinar ist. Den KundInnen traut man offenbar nicht ganz über den Weg. Unter den Geschäftsbedingungen findet sich der Eintrag: „Regel Nummer 1: Bestelle keine Ware wenn du kein Geld hast um diese zu bezahlen. Wir werden säumige Zahler solange beelenden bis wir unser Geld haben!“ (Orthografie gemäss Original).

Im Forum der Hammerskin tritt Segessenmann (unter dem Pseudonym „Schwed“) immer wieder als Schreiber in Erscheinung, auch als Verfechter revisionistischer, das heisst Holocaust leugnender Positionen. So schrieb „Schwed“ Ende Oktober 2006, dass „der Revisionismus einer der Wichtigsten Schlüssel zum erfolg in unserem Kampf ist und man Leute wie German Rudolf oder Ernst Zündel unterstützen sollte“ (Orthografie gemäss Original).

Musikgruppen

Musik spielt in allen Jugend-Subkulturen eine identitäts- und werteschaffende Rolle, einerseits als Vermittlerin eines Lebensgefühls, andererseits als Medium zur Verbreitung politischer Botschaften (24). Konzerte dienen einerseits dem Szenen-Zusammenhalt, andererseits auch der Verbreitung der politischen Botschaft insbesondere bei Naziskin-Konzerten, da an diesen Veranstaltungen meist an entsprechenden Ständen sowohl Tonträger und Bücher/Broschüren wie weitere szenetypischen Artikel angeboten werden. Bis zum Grundsatzurteil des Bundesgerichtes zu Rassismus-Strafnorm und Öffentlichkeit (25) erachteten Polizei und Untersuchungsrichter Naziskin-Konzerte als private Veranstaltungen, auch wenn über tausend Personen anwesend waren und die Konzertankündigungen ebenfalls Medienschaffenden zugänglich waren

Im Jahr 2006 änderte sich die Polizeipraxis nur unwesentlich. Zwar stürmte erstmals ein Polizeikorps ein Konzert; Anlass für den Grosseinsatz war allerdings die Verweigerung kooperativen Verhaltens durch einige Konzertbesucher und nicht die Durchsetzung der Rassismus-Strafnorm (26). Kooperativ mit den rechtsextremen Konzertorganisatoren wirkte hingegen die Berner Kantonspolizei. Dies obwohl sie von der politischen Führungsbehörde wie auch von Seiten der Judikative angehalten gewesen wäre, ein geplantes Konzert zu verhindern. Doch Drohungen der Veranstalter bewogen die Polizei zur Kooperation, wie Gehülfen wiesen die Beamten – auf Veranstalterwunsch – einen recherchierenden Medienschaffenden vom Gelände. Die Einhaltung der Rassismus-Strafnorm kontrollierte sie indessen nicht (27).

In den vergangenen Jahren traten mehrere rechtsextremistische Schweizer Bands an die Öffentlichkeit, vor über zehn Jahren bereits die Basler Gruppe „Sturmtruppen Skinhead“, später die Ostschweizer Hammerskin-Band „Erbarmungslos“. Ebenfalls aus der Hammerskin-Bewegung stammen Mitglieder der Luzerner Band „Dissens“. In einem Interview (28) kündigten sie im Sommer 2006 die Produktion eines neuen Tonträgers an, ebenso die Entstehung einer neuen einschlägigen Schweizer Band namens „Vargr I Veum“. Noch keinen Tonträger herausgegeben haben zwei Bands, die 2005 an Konzerten aufgetreten sind, nämlich die Zürcher Gruppe „Amok“ und die Walliser „Helvetica“.

„Indiziert“

„Indiziert“ ist die zurzeit bekannteste Schweizer Rechtsextremisten-Combo. Sie kam im Jahr 2006 aber nur zu wenigen Auftritten. Anfang 2006 veröffentlichte die Band ihren zweiten Tonträger „Marsch auf Bern“. In einem Interview mit der „Berner Zeitung“ (29) gab der Sänger Lüthard rassistischen Klartext von sich: Er würde sich nicht mit einem dunkelhäutigen Journalisten unterhalten. Einer, der für eine Schweizer Zeitung arbeite, solle Schweizer Wurzeln haben. Und weiter: „Ein Dunkelhäutiger gehört nicht in die Schweiz.“ Sowohl wegen der Liedtexte wie auch der Interview-Aussagen eröffneten die Strafverfolgungsbehörden nach mehreren Anzeigen ein Verfahren wegen Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm. Ende November stellte das Strafeinzelgericht das Verfahren ein. Ein Teil der Liedtexte sei zwar „geschmacklos, moralisch fragwürdig und beleidigend“, würde jedoch nicht gegen das Gesetz verstossen.

Die Band „Indiziert“ besteht aus den Brüdern Alex und Cedric Rohrbach, Dominic Lüthard und Benjamin Lingg. Lüthard kandidierte erfolglos auf der Liste der PNOS wie auch für den Roggwiler Gemeinderat. Offizielle Organisatorin des Rechtsrock-Festivals „Helvetien Rockt“ war zwar das Plattenlabel „HRD-Records“, doch wird dieses – ganz oder allenfalls vorwiegend – von den „Indiziert“-Exponenten betrieben. Angekündigt waren sechs einschlägige Bands, auftreten konnten dann allerdings nur zwei. (30)

Politisch-kulturelle Aktivitäten

Verschiedene Aktivisten und Organisationen stützen sich auf ein rechtsextremistisches Gedankengut, sie beteiligen sich jedoch nicht an der institutionalisierten Politik, insbesondere nicht an Wahlen. Durch Bildungs- und Vernetzungsarbeit wollen sie politisch-kulturelle Ideologie-Arbeit machen, so die Avalon Gemeinschaft, so Gaston-Armand Amaudruz mit seiner Zeitschrift „Courrier du Continent“, so auch das Waadtländer Ehepaar Paschoud mit ihrer Zeitschrift „Le pamphlet“. Von der Bildfläche verschwunden ist 2006 der „Bund Oberland“. Seine Exponenten haben die PNOS-Sektion Oberland gegründet.

Avalon Gemeinschaft

Die Avalon Gemeinschaft befleissigt sich einer weit gehenden Geheimhaltung, so dass über ihre Aktivitäten nur wenig an die Öffentlichkeit dringt. Zwar behauptet ihr Exponent Ahmed Huber, nebenbei aktiver Islamist, gelegentlich gegenüber JournalistInnen, auch NationalrätInnen und weitere einflussreiche Leute würden an den Veranstaltungen der Avalon Gemeinschaft teilnehmen (31). Immerhin bestätigte Huber im Wahlherbst 2003 gegenüber der SonntagsZeitung, dass Bernhard Hess, Berner Nationalrat der Schweizer Demokraten (SD), an Avalon-Veranstaltungen teilgenommen habe (32). Hess bestritt allerdings – wenig überzeugend – seine rechtsextremistischen Kontakte. Im Jahr 2005 machte Recht+Freiheit-Redaktor (33) Ernst Indlekofer, erbost über eine Hess-Aussage zum „unwiderruflich untergegangenen Deutschen Reich“, weitere Andeutungen: „Dem Vernehmen nach geht Hess seit Jahren bei Versammlungen der AVALON ein und aus.“ Und daher müsse Hess auch wissen: „Deutschlands Wandel und Geschichte ist nämlich das Hauptthema anlässlich der jährlich zweimal zelebrierten Sonnwendfeier dieser dem Germanentum frönenden Gesellschaft.“

Die Avalon Gemeinschaft wurde im Juli 1990 gegründet, mit dabei waren unter anderem Roger Wüthrich, vorher Anführer der Wiking Jugend Schweiz, weiter Andreas Gossweiler, in jenen Jahren Mitglied in mehreren rechtsextremistischen Fronten (34). An ihren Versammlungen treffen sich neben den bekannten Exponenten Ahmed Huber und Roger Wüthrich Altfaschisten wie auch junge Naziskins.

Gaston-Armand Amaudruz’ „Courrier du continent“

Der Altfaschist Gaston-Armand Amaudruz ist inzwischen 85-jährig, doch er publiziert weiterhin regelmässig sein hektografiertes zwölfseitiges Blättchen „Courrier du continent“. Der Inhalt bleibt seit Jahren gleich, in einem ersten Teil „Bloc-Notes“ veröffentlicht Amaudruz Zitate aus Zeitungen, gelegentlich mit hämischen Kommentaren versehen. Die „Bloc-Notes“ vermitteln jedoch auch Hinweise (samt Bezugsadressangaben) auf neu erschienene rechtsextremistische Hefte und Bücher und leisten daher Vernetzungsarbeit. Dazu kommen regelmässige Rubriken wie „Kriminalität“ oder „Lois-Baillons“ – wie Amaudruz die Rassismus-Strafnorm zu nennen beliebt. Dazu kommen Texte von Mitarbeitern Giuseppe Patanè, Willi Märki, Yann Woltering, Martine Boimond und Eduardo Longo. Zu den Schreibern gehörte 2006 auch der Holocaust-Leugner René-Louis Berclaz, der über eine Gerichtsverhandlung gegen Robert Faurission berichtete (35). Die letzte Seite bestreitet Amaudruz mit einem Leitartikel, in dem er seine rassistischen, antisemitischen und Holocaust leugnenden Auffassungen verbreitet. Mehrere dieser Kommentare haben Amaudruz vor einigen Jahren zwei dreimonatige Gefängnisaufenthalte eingetragen.
„Courrier du continent“ erschien erstmals 1946, seit rund fünfzig Jahren wird es nun vom Lausanner Altfaschisten Gaston-Armand Amaudruz herausgeben, geschrieben und redigiert. Während Jahrzehnten war das hektografierte Blättchen das offizielle Organ der NOE, einer rassistischen Kleinorganisation, zu deren wichtigsten Exponenten Amaudruz selbst gehörte (36). Es erscheint heute in einer Auflage von mehreren hundert Exemplaren.

Claude und Mariette Paschouds „Le pamphlet“

Mit seiner grossen Mehrfachnummer vom Sommer 2006 lud „Le Pamphlet“ seine Getreuen zu einem Dinner zum 35. Geburtstag, mit Ansprachen von Max L’Impertinent, Daniel Bassin, Michel de Preux und Claude und Mariette Paschoud (37). In der „Spezialnummer“ zum 35-jährigen Erscheinen frohlockten die Verantwortlichen des Blättchens „Le pamphlet“,fünf Jahre zuvor seien sie vor dem Aus gewesen, aber nun sähen sie wieder mit Optimismus in die Zukunft (38). Zehn Nummern veröffentlichte „Le Pamphlet“. Die Autoren waren neben den Paschouds Michel de Preux, Gérald Berruex und mehrere anonyme Schreiber, so Max L’Impertinent und Pollux.

Auch 2006 publizierte „Le Pamphlet“ in erster Linie Texte aus dem Diskussionszusammenhang von Rechtskatholiken und Nationalkonservativen, immer wieder fanden sich aber auch Texte mit antisemitischen, antimuslimischen oder ausländerfeindlichen Anspielungen, bis hin zur lobenden Erwähnung von Rechtsextremisten wie Jean Marie Le Pen und seiner Front National. Vor allem aber waren immer wieder polemische Aussagen gegen Menschen, die gegen Rassismus oder die Verschärfung des Ausländer- und des Asylrechtes eintreten, enthalten.

„Le pamphlet“, gegründet von Claude Paschoud, erscheint seit 1970. Grössere öffentliche Beachtung erntete das Blättchen, das auch schon eine Auflage von 2’000 Exemplaren erreichte, durch einen Auftritt von Mariette Paschoud. Die (damalige) Mittelschullehrerin trat 1986 in Paris an einer Pressekonferenz des Holocaust-Leugners Henri Roques auf und äusserte „Zweifel an der Existenz der Vergasungskammern in Konzentrationslagern.“ Sie wäre 1991 beinahe noch zum Major des Militärischen Frauendienstes befördert worden, nur heftiger publizistischer und politischer Protest verhinderte den Karrieresprung. Ein von Mariette Paschoud angestrengter Ehrverletzungsprozess gegen einen Redaktor des „Bieler Tagblattes“ führte zu einem fatalen Eigentor für die Holocaust-Leugner. Das Bundesgericht hielt nämlich in einem bis heute gültigen Grundsatzurteil fest: „Die Forderung nach einem einzigen Beweis für die Existenz von  Gaskammern ist indessen angesichts des vorhandenen Beweismaterials derart absurd, dass sich, auch wenn andere Motive theoretisch immer denkbar sind, der  Schluss auf eine Sympathie zum nationalsozialistischen Regime in einem Masse aufdrängt, welches für das Gelingen des Wahrheitsbeweises ausreicht, zumal der Schluss aus äusseren Umständen (Handlungen, Äusserungen) auf innere Tatsachen (Absichten, Motive) naturgemäss kein naturwissenschaftlich exakter sein kann.“ (39) In den vergangenen Jahren beklagte „Le pamphlet“ mehrmals sinkende AbonnentInnen-Zahlen. Als Reaktion darauf ist das Blättchen seit einigen Jahren auch im Internet vertreten.

„Recht+Freiheit“, Ernst Indlekofer

Wer noch des Denkens fähig sei, stelle fest, so behauptet Ernst Indlekofer, dass „das stets laute Geschrei gegen Rechtsextremismus bloss von den wahren Übeltätern ablenken“ (40) solle. Und wer das ist, dies weiss der Basler „Recht+Freiheit“-Redaktor, verurteilt wegen Holocoust-Leugnung (41), seit langem: die Juden und die Freimaurer. Zu den wiederkehrenden Themen seiner Publikation gehören Angriffe auf die Rassismus-Strafnorm, die Bestreitung der deutschen Verantwortung für die Auslösung des Zweiten Weltkrieges wie auch wohlwollende Berichterstattung über Holocaust-Leugner.

Im Sommer 2006 legte Indlekofer dem Heft ein Flugblatt bei, überschrieben „Das ARG muss weg!“ (ARG steht hier für Antirassismusgesetz).  Mit dem Pamphlet wollte Indlekofer sondieren, wer eine Volksinitiative zur Abschaffung der Rassismus-Strafnorm und die Kündigung des UNO-Übereinkommens gegen Rassismus allenfalls unterstützen würde. Aus diesem Projekt ist offenbar nichts geworden, zumindest bis Jahresende 2006 berichtete Indlekofer in seinem Blättchen nichts über allfällige Fortschritte. Indlekofer, beschuldigt der Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm, erreichte Ende März einen juristischen Erfolg. Das Strafgericht stellte das 1998 eröffnete Verfahren ein, da die Untersuchungsbehörden das «Beschleunigungsgebot» verletzt hätten, soweit die Anklagepunkte nicht bereits verjährt seien. Im Klartext: Staatsanwältin Eva Eichenberger hat den Prozess verschlampt (42). Sowohl die Staatsanwältin wie auch Indlekofer (wegen der auferlegten Kosten) haben gegen die Einstellung appelliert, doch neun Monate nach der Gerichtsverhandlung ist die schriftliche Urteilsbegründung des Basler Strafgerichtes immer noch ausstehend. Zu seinem Prozess publizierte Indlekofer eine „Recht+Freiheit-Sonderausgabe 23. März 2006“, worin er sein „Schlusswort“ vor dem Gericht dokumentierte.

Offiziell wird „Recht+Freiheit“ von einem „Presseclub Schweiz“ herausgeben, doch de facto ist der Basler Ernst Indlekofer (43), inzwischen über 60-jährig, weitgehend allein verantwortlich für das Heft, das pro Ausgabe meist um zehn Seiten umfasst. 2006 erschienen neben der bereits erwähnten „Sonderausgabe“ insgesamt vier Nummern, wobei das vierte Heft als Dreifachnummer „Nr. 4-6“. Zu den Autoren aus der Schweiz zählten Max Disteli, Olten; Felix Berger, Zürich; Alex Brunner, Wetzikon und „Prof. Dr. jur. Hans Ulrich Walder“, Sempach LU.

Der „Presseclub Schweiz“ hielt seine Generalversammlung am 22. Juli 2006 an einem unbekannten Ort ab. Wie in den vergangenen Jahren hatten Mitglieder vorher eine persönliche Eintrittskarte anfordern müssen. (44)

MIHAG – Militärhistorische Arbeitsgemeinschaft

Im vergangenen Jahr nicht in Erscheinung trat die Militärhistorische Arbeitgemeinschaft MIHAG, die über ein Postfach in Hinterkappelen erreichbar ist. Die MIHAG Schweiz wurde Mitte der 90-er Jahre gegründet. Sie schottet sich von der Öffentlichkeit ab. Unklar ist, wie viele Mitglieder die MIHAG hat. Erwiesen ist jedoch, dass einer ihrer Exponenten, der Berner Bäcker-Konditor Stefan Kernen, regelmässig an „Kameradschaftstreffen“ von Ehemaligen der Waffen-SS teilnimmt und dort als „Schweizer Kamerad“ oder „eidgenössischer Freund“ bezeichnet wird (45).

Nachrichtenportale

In der Schweiz verfügt die rechtsextremistische Szene nur über wenige Medien, insbesondere auch über wenige Printmedien. Doch über mehrere Jahre hinweg bestanden Nachrichtenportale wie „Freie Stimme“ (beziehungsweise Altermedia Schweiz), Altermedia Suisse und Novopress Suisse. Im Jahr 2006 wurden zwei dieser Schweizer Nachrichtenportale nur noch sehr unregelmässig nachgeführt. Der Betreiber von Freie Stimme/Altermedia Schweiz sah sich im Herbst 2005 mit einer Hausdurchsuchung konfrontiert und hat seinen Mitteilungseifer offenbar verloren. Auch Altermedia Suisse setzte 2006 nur noch wenige Mitteilungen ins Netz. Lediglich Novopress Suisse erreichte noch eine gewisse Kontuinität; das Nachrichtenportal verbreitete 2006 insbesondere auch die Communiqués der Westschweizer Identitaires.

Politische Organisationen

In den vergangenen Jahren versuchten Rechtsextremisten ab und an, politische Parteien aufzubauen, mit dem Ziel sich auch an den Wahlen zu beteiligen. Diese Projekte – wie beispielsweise David Mulas’ Nationale Partei der Schweiz (NPS) – scheiterten meist bald. Ausnahme ist die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS), die inzwischen gefestigte Strukturen aufgebaut hat. Als Einzelkämpfer produzierte sich noch der Basler Eric Weber. Als Vertreter seiner „Volks-Aktion gegen zu viele Ausländer und Asylanten in unserer Heimat“ beteiligte er sich in Basel-Stadt am zweiten Wahlgang für die Regierungsratswahlen. Weit abgeschlagen erreichte Weber 2530 Stimmen und damit den dritten Platz. Allerdings übertraf er damit die stadtbekannte Vertreterin der Schweizerischen Bürger Partei (SBP), einer SVP-Abspaltung (46). Weber hat eine lange Karriere im rechtsextremistischen Milieu hinter sich. 1986 wurde er – auf der Liste der Nationalen Aktion – in den Grossen Rat gewählt, wo er bald durch seine flegelhaften Auftritte auffiel. Nach seinem Ausscheiden aus dem Grossen Rat übersiedelte er für mehrere Jahre nach Deutschland, wo er als Journalist zu arbeiten versuchte. Er war bereits Anfang der 90-er Jahre  wegen Urkundenfälschung bei Wahlen verurteilt worden (47). 2003 beteiligte er sich an den Nationalratswahlen, 2004 bei den Grossratswahlen, dies jeweils auf den Listen der Schweizer Demokraten (SD). Bei diesen letzten Wahlen versuchte Weber Wahlcouverts zu kaufen und wurde dabei erwischt.

Nicht mehr in Erscheinung trat 2006 die Nationale Ausserparlamentarische Opposition NAPO, die im Vorjahr noch zwei Kundgebungen organisiert hatte. Auch die NAPO-Homepage, die zuerst längere Zeit nicht mehr aktualisiert wurde, verschwand während des Jahres 2006 vom Netz. Die NAPO trat erstmals Anfang 2003 in Erscheinung. Gemäss ihrem „Aktionsprogramm“ ist das Ziel von NAPO-Aktionen „die Störung der Medienherrschaft in unserem politischen System und die Vorbereitung eines Machtwechsels innerhalb der Schweiz im Sinne der Volksstaats-Idee“. Das heisst unter anderem die Ausweisung von EinwohnerInnen nichteuropäischer Herkunft, denn die NAPO betrachtet „Kulturfremde und Fremdrassige in unserem Land und in Europa als Zivilbesatzer“. Und weiter: „Wir treten ein für die Rückführung der Fremdrassigen und Kulturfremden“. Und zu ihren „Visionen“ zählte die NAPO „kinderreiche weisse Familien“. Rassistischer Klartext also. Weiterhin aktiv ist jedoch der NAPO-Exponent und Holocaust-Leugner Bernhard Schaub, auch die Internet-Präsenz der „Reichsbewegung“ ist weiter online – die NAPO sah sich einst als Schweizer Teil dieser „Bewegung“.

Partei National Orientierter Schweiz PNOS

Wie andere Parteien auch verbreitete die Partei National Orientierter Schweizer PNOS zum Jahresende Zuversicht: Die Partei habe versucht, so verkündete der Parteivorstand auf der Homepage Anfang 2006, „mit einer neuen ideologischen Ausrichtung von ihren Altlasten Abstand zu nehmen.“ Dies sei dadurch geschehen, dass sich „die PNOS vom historischen Nationalsozialismus distanziert“ habe und damit „endlich den schon lange notwendigen Weg in die Moderne“ getan habe (48). Auslöser für diesen ‚Kurswechsel’ war allerdings nicht nur Einsicht, sondern ein Strafverfahren wegen Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm. Mehrere PNOS-Parteivorstandsmitglieder waren erstinstanzlich verurteilt worden, und kurz vor der öffentlichen Verhandlung vor dem Aarauer Bezirksgericht zogen die Angeschuldigten ihre Appellation zurück, so dass die Verurteilungen rechtskräftig wurden (49).

In ihrem neuen Parteiprogramm beansprucht die PNOS, dass sie einen „Eidgenössischen Sozialismus“ anstrebe. In der Tat kritisiert die Partei immer wieder die systemimmanenten sozialen Ungerechtigkeiten des Kapitalismus. Sie will die Widersprüche durch die Proklamation eines Volksganzen überwinden, genau wie es einst die rechtsextremistischen Parteien in der Tat zwischen den Weltkriegen taten. Das neue Parteiprogramm hat eine diskriminierende Forderung beibehalten: „Kulturfremde Ausländer können das Schweizer Bürgerrecht nur in Ausnahmesituationen erhalten“, in concreto: Einheimische mit asiatischer oder afrikanischer Herkunft sollen nicht eingebürgert werden können und müssten die Schweiz verlassen, denn – so der PNOS-Vorschlag: „Wer nicht als Staatsangehöriger in der Schweiz lebt, untersteht dem Gastrecht und hält sich für begrenzte Zeit in unserem Land auf.“ Im Weiteren verlangt die Partei einen autoritären Staat. Zwar soll die Landesregierung (ein Landammann und sein Stellvertreter) von den Stimmbürgern gewählt werden, jedoch unbegrenzt, und die Entscheidungsbefugnis soll massiv ausgebaut werden. Der Landammann soll dann sowohl Bundesrat wie Bundesgericht ernennen (50). Die PNOS folgt damit auch hier den Vorstellungen frontistischer Organisationen der 30-er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Wie die Fronten verlangt auch sie ein Verbot der Freimaurerei, denn „wer geheimen Logen und Bünden angehört, verfolgt automatisch andere Ziele als der Staat.“ Dies alles weist darauf hin, dass die PNOS-Schale zwar geändert wurde, der Kern jedoch gleich geblieben ist.

Auch ein Blick in die Parteizeitschrift „Zeitgeist“ macht die Kontinuität deutlich. Auch im Jahre 2006 erschienen ausländerfeindliche, muslimfeindliche und antisemitische Aufsätze. So behauptet ein „Kemal Samadhi“, dass der Holocaust „unzweifelhaft das einzige tatsächlich Unantastbare in den ‚freien’ Weststaaten“ darstelle und „eine negative Pseudoreligion“ sei, die nicht daran interessiert sei, Werte zu vermitteln, „sondern die Menschen mittels andauernder Schuldzuweisung zu Knechten einer auf ein einziges, noch dazu in Zweifel zu ziehendes Ereignis reduzierten Geschichte“ machen wolle (52). Nimmt man die „Zeitgeist“-Texte als Massstab, dann ist das Verhältnis der PNOS zum Islam zwiespältig: Die „Zeitgeist“-Schreiber befehden die europäischen Muslime, unterstützen jedoch Muslime, wenn es um den Widerstand gegen Israel und um deren Kritik am westlichen Kapitalismus geht.

Die PNOS behauptet, sie habe ihre Mitgliederzahl um „über 30 %“ steigen können. Diese Angaben lassen sich nicht überprüfen. Klar ist jedoch, dass die Partei im Jahr 2006 drei neue Sektionen – Willisau, Küssnacht am Rigi und Berner Oberland – gegründet hat. Sie nahm zweimal erfolglos an Wahlen teil. Bei den Berner Grossratswahlen trat sie im Frühjahr 2006 im Bezirk Oberaargau mit Dominic Lüthard und Tobias Hirschi an. Die Partei erreichte einen Stimmenanteil von unbedeutenden zwei Prozent. Über fünf Prozent erreichte die PNOS bei den Gemeinderatswahlen von Roggwil, insgesamt 46 Stimmende legten eine unveränderte, 37 eine veränderte PNOS-Liste ein. Einziger Kandidat war hier Dominic Lüthard, PNOS-Exponent wie auch Sänger der Musikgruppe „Indiziert“.

In der näheren Zukunft beabsichtigt die Partei den Ausbau der internen Strukturen, zudem soll „ein reger Kontakt ins benachbarte Ausland angestrebt werden, um auf breiter europäischer Ebene ein Bollwerk gegen Kapitalismus, Ausbeutung und Despotie zu schaffen.“ (53) Was damit gemeint ist, verdeutlichen drei Beispiele: Am PNOS-Parteitag Wauwil trat Thomas Gerlach auf, der die PNOS im Namen der NPD, des KDS (Kampfbund Deutscher Sozialisten) und der freien Kräfte in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern begrüsste (54). Mitte Dezember 2006 nahm eine PNOS-Delegation an der Gründungsversammlung der Sektion Bodensee der Jungnationaldemokraten, der Jugendorganisation der NPD, in Friedrichshafen teil. Und drittens verwies Denise Friedrich, einzige Frau im PNOS-Bundesvorstand in einem Aufsatz zur „nationalen Frau“, die einerseits ihre natürlich Aufgabe als Mutter übernehmen müsse, anderseits sich emanzipieren und politisch partizipieren soll, auf ‚vorbildliche’ Organisationen in Deutschland, nämlich den „Ring-Nationaler-Frauen“, die „Gemeinschaft-Deutscher-Frauen“ und den „Mädelring Thüringen“ (55), alles Organisationen im weiten Umfeld der Nationaldemokratischen Partei NPD und der Freien Kameradschaften.

Holocaust-Leugner

Holocaust-LeugnerInnen bestreiten drei offensichtliche historische Tatsachen: Erstens dass es einen Plan zur Ermordung der europäischen Juden gegeben habe; zweitens dass Gaskammern zur Ermordung der Opfer gebaut worden seien; und drittens dass die Zahl der durch die nationalsozialistische Judenverfolgung umgekommenen Jüdinnen und Juden mehrere Millionen betrage. Im Spätherbst 2005 wurde ein massgeblicher Teil der Infrastruktur der Holocaust-Leugner lahm gelegt: Durch die Verhaftung und Auslieferung von Germar Rudolf wurden der grösste und zweisprachig publizierende Verlag, die wichtigste sowohl deutsch wie englisch erscheinende Szene-Zeitschrift sowie die materialreichste Internet-Homepage gleichzeitig inaktiv. Mehreren wichtigen Exponenten wie Germar Rudolf und Ernst Zündel wurde im Jahr 2006 der Prozess gemacht. Die Urteile waren Ende Jahr 2006 noch ausstehend.

Trotz dieser Krise behaupten Holocaust-Leugner, sie könnten nun wieder optimistisch in die Zukunft schauen. Anlass ist eine „Holocaust-Konferenz“, die Mitte Dezember 2006 in Teheran stattfand. Sie wurde Anfang 2006 vom iranischen Staatspräsident Mahmoud Ahmadinejad angeregt, und es nahmen vorwiegend Holocaust-Leugner und Rechtsextremisten, aber auch wenige antizionistische Juden an ihr teil (56). Die Konferenz bediente zwei Motivationsstränge, einerseits die Bestreitung oder Banalisierung des Holocausts, anderseits die Entlegitimierung des Staates Israel (57). Zum Abschluss gründeten einige KonferenzteilnehmerInnen eine Kommission, der vorwiegend westliche Holocaust-LeugnerInnen, darunter der Schweizer Bernhard Schaub, angehören und die eine Stiftung gründen und weitere Konferenzen organisieren soll. Es bleibt aber zweifelhaft, ob diese Pläne auch weitergehende Folgen haben werden: Insgesamt steckt die Internationale der Holocaust-Leugner seit Jahren in der Krise, da sie einerseits mit ihren lügnerischen Gespinsten offensichtlich intellektuell am Ort tritt, andererseits es ihr nicht mehr gelingt, über den kleinen Kreis des rechtsextremistischen Milieus hinaus zu wirken.

Die ersten Schweizer Holocaust-Leugner traten Anfang der 90-er Jahre an die Öffentlichkeit. Während des Referendumskampfes um die Einführung der Rassismus-Strafnorm organisierten sich die vier Hauptexponenten Jürgen Graf, Arthur Vogt, Andres J. Studer und Bernhard Schaub, zuerst in der „Arbeitsgemeinschaft zur Enttabuisierung der Zeitgeschichte (AEZ)“, später umbenannt in „Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung der Zeitgeschichte (AEZ)“. In der zweiten Hälfte der 90-er Jahre reduzierte die AEZ ihre Aktivitäten, woraufhin sich die Deutschschweizer Holocaust-Leugner mit Westschweizer Gesinnungskameraden zur Vereinigung „Vérité et Justice“ zusammentaten (58). Dieser Verein wurde im im März 2002 vom Bezirksgericht Veveyse in Châtel-Saint-Denis gerichtlich aufgelöst und hat inzwischen seine Aktivitäten eingestellt.

Die Schweizer Holocaust-Leugner – mit Ausnahme von Bernhard Schaub und Philippe Brennenstuhl – konnten 2006 in der Schweiz keine Aktivitäten mehr entfalten. Jürgen Graf und Andres J. Studer haben die Schweiz verlassen, um unbedingten Gefängnisstrafen zu entgehen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die beiden noch Einfluss auf das rechtsextremistische Milieu in der Schweiz haben.

Bernhard Schaub

Mitte Dezember hatte Bernhard Schaub einen grossen Auftritt in Teheran, eingeladen als Redner an der „Holocaust-Konferenz.“. In seiner Ansprache lobte Schaub als erster Vorsitzender des Vereins zur Rehabilitierung des wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten (VRBHV) den iranischen Präsidenten, der “den Kampf gegen den Holocaust-Mythos aufgenommen“ habe. Schaub sprach dann von einem “Dickicht von Gräuelpropaganda“, mit dem “das wehrlos gemachte Deutschland“ seit sechzig Jahren überzogen werde. Er schloss seinen Vortrag mit einem Aufruf, die europäischen Holocaust-Leugner möchten “allen hier im islamischen Raum“ zurufen, sie hätten “denselben Feind“. Es sei “der Menschenverderber, der mit Hilfe des amerikanischen Kampfelefanten die ganze Welt dem jüdischen Kapital unterwerfen und alle eigenständigen Völker, Kulturen und Religionen vernichten“ wolle. Im Klartext: Schaub hielt eine antisemitische und nazifreundliche Rede. Lobende Worte fand Schaub dagegen für Bundesrat Christoph Blocher wie auch seine Partei, die SVP. Blocher habe, so Schaub, „den grossen Schritt“ angekündigt, er wolle den Tatbestand der Genozid-Leugnung aus dem Strafbuch zu entfernen, die Partei habe beschlossen, allenfalls gegen die Rassismus-Strafnorm eine Volksinitiative zu starten. „Ermutigende Zeichen“, nannte der Holocaust-Leugner diese Ankündigungen (59).

Ansonsten glänzte Schaub im Jahr 2006 nicht mit besonderen Aktivitäten, ausser dass er Ende Oktober in seiner Wohnregion über tausend Flugblätter des Vereins zur Rehabilitierung des wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten (VRBHV) in die Briefkästen steckte. Eine Aktion, die ihm ein Strafverfahren wegen Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm eintrug.

Sonst betätigt sich Schaub weiterhin als freischaffender Erwachsenenbildner. Der 52-Jährige bietet eine ganze Reihe von Veranstaltungen an: “Ghibellinum – Seminar für Philosophie, Gymnastik und Rezitation“ nennt sich ein Projekt mit wöchentlich drei Veranstaltungen, einem “Studienkreis Philosophie“, einem Filmkreis und einer Vortragsreihe “Kunst und Dichtung“. Eine Aufgabe des Filmkreises sei, so Schaub, “das Bekanntmachen von zeitgeschichtlichen Forschungen und Dokumentationen, die von den öffentlichen Medien unterdrückt“ würden. Naiv, wer dabei nicht an Holocaustleugnung denkt. Unklar ist, wie viele Interessenten das Angebot anzieht. Weiterhin betreibt Schaub seine „Nordische Gymnastik“. Nordisch heisse sie, weil sie „dem Bewegungstyp des mittel- und nordeuropäischen Menschen“ entspreche. Sie stütze sich auf Graf Fritz von Bothmer und Hinrich Melau. Von Bothmer war Anthroposoph, Hinrich Melau ist Begründer einer „Deutschen Gymnastik“, die im Dritten Reich besonders beim Bund Deutscher Mädchen verbreitet war.

Philippe Brennenstuhl

Einer der wenigen Rechtsextremisten, die sich am 1. August demonstrativ auf das Rütli begeben wollten, war der Westschweizer Holocaust-Leugner Philippe Brennenstuhl, der sich dort im Vorjahr an der Seite eines bekannten „Blood and Honour“-Skinhead gezeigt hatte. Bei der polizeilichen Anhaltung erklärte er, er wolle eine patriotische Rede auf dem Rütli halten (60).

Ein „internationaler Sekten-Orden, jener der Freimaurer“, so behauptet Brennenstuhl, habe sich zur geheimen Aufgabe gemacht, „den Menschen über die Materie auszubeuten und zu unterjochen und dies durch die Internationalisierung des Handels sowie durch Monopolisierung der Waren und Dienstleistungen (zum Beispiel Massenmedien!) mit dem Endziel, eine globale Weltregierung unter amerikanisch-zionistischer Herrschaft zu errichten.“ Bis zum heutigen Tag kanalisierten die Freimaurer „in eigennütziger Weise die meisten politischen, finanziellen, intellektuellen und religiösen Kräfte dieser Welt.“ (61)

Brennenstuhl, der seine Karriere im rechtsextremistischen Milieu der Schweiz im Februar 1999 als Vorstandsmitglied des Vereins „Vérité et Justice“ begann, ist heute ein Einzelkämpfer, der Behörden mit irrlichternden Eingaben beschäftigt. Die kommentierten Resultate dieser Briefwechsel veröffentlicht er auszugsweise als Broschüre.

Fazit

Rechtsextremismus blieb auch 2006 in der Schweiz eine gesellschaftliche und politische Realität. Die Szene ist zwar insgesamt marginal, doch ist sie zahlenmässig so stark wie seit 1945 nicht mehr.

Die Subkultur der Naziskinheads als anteilsmässig grösste Untergruppe ist 2006 – wenn überhaupt – nur wenig gewachsen, vor allem in Kleinstädten und in Dörfern treten rechtsextremistische Cliquen und/oder Gruppen auf, zu deren Feindbilder sowohl Linke wie ‚Ausländer’ zählen. Die Naziskin-Subkultur verfügt über ein stabiles Netz von Szene-Angeboten wie Musikgruppen und Konzerten.

Kontinuierlich weiter arbeiten jene Organisationen und Einzelpersonen, die rechtsextremistisches Gedankengut durch politisch-kulturelle Aktivitäten – jedoch nicht durch die Teilnahme an der institutionalisierten Tagespolitik –  vorantreiben wollen.

Die rechtsextremistische Szene verfügt inzwischen über eine politische Kraft, die Partei National Orientierter Schweizer PNOS. Noch nie seit 1945 konnte sich eine rechtsextremistische Partei/Gruppe so lange halten.

Kaum noch in Erscheinung – mit Ausnahme zweier Einzelkämpfer – treten die Schweizer Holocaust-Leugner. In einem Teil der Schweizer Rechtsextremisten-Szene hat sich jedoch Holocaust leugnendes bzw. verharmlosendes Gedankengut etabliert.

Luzern, 8. Januar 2007     Hans Stutz

(1) Siehe beispielsweise Hans Stutz, Tages-Anzeiger, 5. August 2000
(2) Siehe Eintrag Rütli, Lenzburg AG, Uster und Trüllikon ZH , 1. August 2006
(3) Nationalrat. Anfrage „Missbrauch der 1.-August-Feier auf dem Rütli?“, Geschäft 06.1055 vom 11. Mai 2006
(4) Hans Stutz, Adolf Hitler tat sein Möglichstes, Die Weltwoche, 30. März 2000
(5) Einen Einblick in die Entwicklung ab 1945 geben Jürg Frischknecht, Peter Haffner, Ueli Haldimann, Peter Niggli, Die Unheimlichen Patrioten. Politische Reaktion in der Schweiz. Zürich 1979, S. 443-485, sowie der Ergänzungsband 1984, S. 721-751. Weiter Jürg Frischknecht, Schweiz – wir kommen. Die neuen Fröntler und  Rassisten. Zürich 1991. Urs Altermatt/Hanspeter Kriesi, Rechtsextremismus in der Schweiz. Organisationen und Radikalisierung in den 1980er und 1990er Jahren. Zürich, 1995.
(6) Christian Dornbusch/Hans-Peter Killgus, Unheilige Allianzen. Black Metal zwischen Satanismus, Heidentum und Neonazismus. Hamburg/Münster 2005
(7) Andreas Speit (Hg.) Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien. Hamburg/Münster 2002
(8) Eine ausführliche Darstellung der Jugend-Subkultur der Skinheads – seit ihren Anfängen Ende der 60er-Jahre – bietet Christian Menhorn, Skinheads: Porträt einer Subkultur. Baden-Baden 2001. Eine lesenswerte Darstellung bietet auch Holger Bredel: Skinheads – Gefahr von rechts? Berlin, 2002.
(9) Extremismusbericht (in Erfüllung des Postulats 02.3059 der Christlichdemokratischen Fraktion vom 14. März 2002) vom 25. August 2004, S. 5012
(10) Extremismusbericht (in Erfüllung des Postulats 02.3059 der Christlichdemokratischen Fraktion vom 14. März 2002) vom 25. August 2004, S. 5013
(11) Siehe Eintrag, Frauenfeld TG, 26. April 2003
(12) Siehe Tagespresse vom 18. Mai 2006, vor allem auch St. Galler Tagblatt, 18. und 20. Mai 2006
(13) Siehe den Aufsatz von Nick Lowles, Die Internationale des Hasses, in: Christian Dornbusch, Jan Raabe (Hg.), RechtsRock – Bestandsaufnahme und Gegenstrategien, Hamburg/Münster, 2002, S. 233-262, Zitate S. 235.
(14) Neben einem Gesinnungskameraden wurde Olivier Kunz von Daniel Schweizer in dessen Film „Skin or die“ porträtiert.
(15) Siehe Eintrag La Sarraz, 19. September 2004, wie auch die Artikel in der SonntagsZeitung, 23. August 1998, 13. und 20. September 1998
(17) Siehe Einträge, Yverdon VD, 28. Juni 2003 und Yverdon VD, 4. Juni 2004.
Eintrag, Genf, 18. Juni 2006
(18) Im Orginalton: Nous vomissons la “modernité” sans racines, le matérialisme sans âme, l’ultralibéralisme destructeur, l’exploitation des travailleurs par le grand actionnariat international, la globalisation-standardisation planétaire, la grande soupe fade du multiculturalisme, l’américanisation comme la tiers-mondisation.
Accessoirement, nous sommes Suisses et Européens et n’en ressentons ni honte ni culpabilité.
(19) Siehe beispielsweise Elisabetta Antonelli, Schwarz, aber herzlich. Der Beobachter, 28. Oktober 2005
(20) Siehe beispielsweise Der Tages-Anzeiger, 17. August 2005
(21) Hans Stutz, PNOS-Gründer Kunz in Deutschland verurteilt, SonntagsZeitung, 5. März 2006
(22) Blick, 16. September 2006
(23) Siehe Bundesgerichtentscheid 6S.318/2003, siehe auch Eintrag Seedorf BE, 26. September 1999 auf ww.gra.ch
(24) Eine ausführliche und überaus materialreiche Darstellung der rechtsextremistischen Rockmusik bieten Christian Dornbusch, Jan Raabe (Hg.), RechtsRock – Bestandsaufnahme und Gegenstrategien, Hamburg/Münster, 2002.
(25) Bundesgerichtsurteil 6S.318/2003, publiziert als BGE 130 IV 111ff.
(26) Siehe Eintrag, Beinwil/Freiamt, 24. Juni 2006
(27) Siehe Eintrag, Lotzwil BE, 9. September 2006 und Joël Widmer, Polizei schaute weg und liess Nazi-Rocker gewähren, SonntagsZeitung, 17. September 2006
(28) Nordwind, Ausgabe 6, Juni 2006, Seite 26f
(29) Berner Zeitung, 17. Juni 20