Einschätzung Rassismus 2005/1

Zürich, 29. Dezember 2005

„Als ob mein Pass nicht echt sei“

Rassismus und Diskriminierung in der Schweiz im Jahre 2005

Anfang Januar 2006 besuchte Doudou Diène, UNO-Sonderberichterstatter für Rassismus, die Schweiz. In einer ersten vorläufigen Stellungsnahme hielt er fest, dass gemäss seinen Feststellungen Schwarze jene Gruppe der Schweizer Bevölkerung sei, die am meisten von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus betroffen sei, gefolgt von Menschen aus dem Balkan. (1) Aber auch Vertreter der jüdischen und muslimischen Gemeinschaft hätten ihm von rassistischen Tendenzen berichtet. Einer der Gründe, warum Diène die Schweiz besuchen wollte, war die SVP-Kampagne gegen die Erleichterte Einbürgerung im September 2004. Ein Plakat zeigte braune Hände, die (gierig?) nach dem Schweizer Pass greifen. Diène hielt auch fest, die Schweiz habe keine Strategie gegen Rassismus, vielmehr gebe es eine starke Tendenz, rassistische Haltungen zu verharmlosen.

Der Befund des UNO-Sonderberichterstatters für Rassismus stimmt mit ähnlichen früheren Berichten überein, beispielsweise dem Jahresbericht von Amnesty International oder jenem der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz. Amnesty hatte für 2004 festgehalten, dass immer wieder Berichte über Misshandlungen durch die Polizei einträfen (2), Misshandlungen, „die häufig von rassistischen Beschimpfungen begleitet“ seien. Und die EU-Kommission bemängelte „eindeutig diskriminierende Polizeipraktiken“ wie Ausweiskontrollen, Verbringung in Polizeigewahrsam und oft auf offener Strasse vorgenommene Leibesvisitationen allein aufgrund der Hautfarbe.

Wie seit vielen Jahren galt auch für das Jahr 2005: Wer eine nichtweisse Hautfarbe trägt oder sich nicht an einen festen Wohnort binden will, einer nichtchristlichen Religionsgemeinschaft angehört oder nichthetereosexuelle Liebesverhältnisse bevorzugt, läuft in der Schweiz Gefahr, in der Öffentlichkeit ausgeschlossen, angepöbelt, beschimpft, bedroht oder in einzelnen Fällen gar körperlich angegriffen zu werden. Der Mechanismus des Hasses und der Ausgrenzung bleibt, die Feindbilder passen sich den gesellschaftlichen und politischen Bedürfnissen an. Seit Beginn der 90er Jahre richtet sich der Diskriminierungswille vornehmlich gegen Menschen aus den Ländern des einstigen Jugoslawiens sowie aus der Türkei. In den vergangenen Jahren werden aber auch vermehrt Menschen mit schwarzer Hautfarbe (unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit) Opfer von Anfeindungen und Diskriminierungen. Verschiedene Beobachtungen belegen, dass diese Menschen oft in nächtlich geöffneten Vergnügungslokalen, gelegentlich auch in Restaurants, unter Vorwänden nicht zugelassen werden. In einigen Fällen folgt die Diskriminierung neoliberalen Wirtschaftsvorstellungen. So bezahlen AusländerInnen in vielen Fällen grössere Autoversicherungsprämien. Gemäss einem Bericht des Tages-Anzeiger werden die grössten Zuschläge für Menschen serbischer oder türkischer Herkunft verrechnet, anders bei EinwohnerInnen deutscher oder österreichischer Staatsangehörigkeit. Nur eine einzige Versicherungsgesellschaft behandelt Ausländer mit Niederlassung wie Schweizer. (3)

In Teilen der Schweizer Gesellschaft haben sich nationalistische – gelegentlich rassistisch motivierte – Deutungsmuster für gesellschaftliche und soziale Probleme aller Art festgesetzt. Neben einigen Kleinparteien fördert auch die Regierungspartei SVP mit diffamierenden Kampagnen ein diskriminierungsfreundliches Klima. Insgesamt verfügt das nationalkonservative Lager über eine Vielzahl von Organisationen und Publikationsmöglichkeiten sowie über eifrige ExponentInnen, insbesondere auch LeserbriefschreiberInnen. Im vergangenen Jahr betrieben solche ProtagonistInnen vor allem auch muslimfeindliche Kampagnen.

Die Schweizer Nationalkonservativen verbinden unter anderem nationalistisch-isolationistische (beispielsweise die grundsätzliche Opposition gegen Beitritt zu oder Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie UNO oder EU) mit fremdenfeindlichen/rassistischen Ansichten, die sich einerseits gegen einreisewillige MigrantInnen aus Nicht-EU-Ländern, anderseits gegen die hier Niedergelassenen ohne Schweizer Pass richten. Sie können dabei auch auf einst staatlich gepflegte Traditionen zurückgreifen, beispielsweise auf den Überfremdungsdiskurs, das ‚Sonderfall-Schweiz‘-Denken, die Abneigung gegenüber festgeschriebenen und einklagbaren Menschenrechten für Minderheiten. Nationalkonservative ExponentInnen stellen sich auch immer wieder verteidigend, allenfalls verharmlosend vor Organisationen wie auch Auftritte der rechtsextremistischen Szene. Das nationalkonservative Lager hat zwar in den vergangenen Jahren mehrere wichtige eidgenössische Volksabstimmungen (UNO-Beitritt, Bilaterale Verträge, Personenfreizügigkeit und Schengen-Abkommen) verloren, kann jedoch das politische Gespräch immer wieder mit diskriminierenden Kampagnen gegen Minderheiten bestimmen.

Hier wieder tut dies auch die Regierungspartei SVP. In Inseraten behauptet die SVP der Stadt Zürich beispielsweise: „Nix für Schweizer – Millionen für Ausländer“. (4) Allerdings hat die SVP im Jahr 2005 keine jener hetzerischen Kampagnen gestartet, die das politische Klima für Diskriminierungswillige bereiteten. Auf die Kritik von Doudou Diène reagierte der SVP-Sprecher Roman S. Jäggi jedoch mit einer rassistischen Verteidigung. Er akzeptiere zwar, dass ein UNO-Repräsentant die Schweiz kritisiere, da diese nun UNO-Mitglied sei, aber es sei „der Gipfel, dass diese Kritik von einem Senegalesen“ käme. (5)

(1) Siehe Presseberichterstattung vom 14. Januar 2006, insbesondere NZZ, Tages-Anzeiger, Le Temps, Tribune de Genève. Mehrere Tageszeitungen verzichteten allerdings auf jede Berichterstattung.
(2) International, Schweizer Sektion, Jahresbericht 2005, veröffentlicht im Mai 2005 (3) Tages-Anzeiger, 23. November 2005, Lotterie bei den Autoversicherungen (4) Siehe zum Beispiel Inserat in Tages-Anzeiger, 22. November 2005, Seite 18. (5) Zitiert in Les critiques de l’UDC sur Doudou Diène choquent, Le Temps, 17. Januar 2006, Seite 8

Rassismus gegen Schwarze

Doudou Diènes Einschätzung ist zutreffend: In der Schweiz werden Menschen schwarzer Hautfarbe am häufigsten Opfer rassistischer Schikanierungen und Diskriminierungen, insbesondere auch von PolizistInnen. Sie müssen sich häufig ausweisen und Körperkontrollen gefallen lassen. Auch wird ihnen in nächtlichen Vergnügungslokalen öfter der Eintritt verweigert, selbstverständlich unter einem Vorwand. Menschen schwarzer Hautfarbe verfügen noch nicht über ausreichend starke Organisationen, um die vielfachen Schikanierungen und Diskriminierungen kontinuierlich in der Öffentlichkeit skandalisieren zu können. (6)

(6) Eine detaillierte Schilderung der Situation der Schwarzen in der Schweiz bietet Carmel Fröhlicher-Stines/Kelechi Monika Mennel, Schwarze Menschen in der Schweiz. Ein Leben zwischen Integration und Diskriminierung. Studie im Auftrag der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus. Bern 2004.

Antisemitismus

Mitte März brannte in Lugano die Synagoge nieder, in der gleichen Nacht verwüstete ein Feuer auch das Kleidergeschäft einer jüdischen Familie. (Siehe Kasten). In ersten Reaktionen wiesen mehrere Exponenten des öffentlichen Lebens auf ein Ansteigen des Antisemitismus in der Schweiz hin. Eine solche Schlussfolgerung lässt sich jedoch nicht belegen. Im Gegenteil, zwar hat die Auseinandersetzung um die Nachrichtenlosen Vermögen und die Rolle der Schweiz während der Zeit des Zweiten Weltkrieges zu einer Aktivierung des latenten Antisemitismus‘ innerhalb der Schweizer Gesellschaft geführt, doch haben sich die Auseinandersetzungen nach dem Abschluss der Globallösung wieder beruhigt. Auch wenig Hinweise gibt es auf ein Anstarken des ‚neuen‘ Antisemitismus in der Schweiz, nämlich jenes Antisemitismus, der vorwiegend von Muslimen, gelegentlich auch von Linken ausgehe und unter dem Vorwand der Israel-Kritik Antisemitismus betreibe. (7) In der beschränkten Öffentlichkeit rechtsextremistischer Foren und Schriften allerdings platzieren einschlägige SchreiberInnen regelmässig antisemitische Beiträge, ebenso wie Holocaust verharmlosende bzw. leugnende Ergüsse. Selbst wenn diese Äusserungen die Rassismus-Strafnorm verletzen, bleibt dies meist ohne Folgen, da niemand Strafanzeige einreicht. (8) Als einziger verbreitet Erwin Kessler, Präsident des Vereins gegen Tierfabriken (VgT), regelmässig antisemitische Texte, insbesondere auf der Vereins-Homepage. Allerdings ist auch er im Jahr 2005 weniger häufig ausfällig geworden.

Brandstiftung – Synagoge LuganoAm 14. März 2005 brennt die Synagoge in Lugano, ebenso ein Kleidergeschäft, das einer jüdischen Familie gehört. In der gleichen Nacht will ein Brandstifter auch in einem Haus in einer Vorortsgemeinde Feuer legen.

Auffällig war, wie schnell Tessiner Honorationen, zumeist bürgerlicher Gesinnung, ein antisemitisches Motiv für den Brandanschlag ausschlossen. Am offensichtlichsten tat es der Tessiner Ständerat Dick Marty (FDP). Es würde ihn, so erklärt er gegenüber dem «Blick»(9), «sehr wundern», wenn die Täter Tessiner wären. Ist eine solche Aussage einfach nur Verdrängung? Oder doch der bewusste Versuch, die kantonseigenen Diskriminierungswilligen zum vornherein zu entlasten? Wie dem auch sei, fast zutreffend ist Martys Einschätzung, dass es im Tessin «noch nie gewaltsame Übergriffe auf jüdische Einrichtungen» gegeben habe, abgesehen davon, dass die Synagoge bereits mit antisemitischen Parolen verschmiert worden war. Ganz daneben liegt der einstige Staatsanwalt Marty jedoch bei der Behauptung, dass im Tessin nie Übergriffe gegen Asylbewerber-Zentren – «wie sie in der deutschen Schweiz immer wieder vorkommen» – zu beklagen gewesen seien. Fakt ist: Auch im Tessin wurden in den neunziger Jahren Unterkünfte für Asylbewerber mehrfach angegriffen, sogar mit Sprengsätzen. Vor allem aber wurden in den vergangenen Jahren mehrfach Wohnwagen von Fahrenden attackiert, gelegentlich auch beschossen.

Wenige Tage nach der Tat verhaftet die Polizei einen 58-jährigen ehemaligen Buschauffeur, der vor einigen Jahren aus dem Dienst entlassen wurde. Die Polizei behauptete sofort, Antisemitismus sei nicht das Motiv der Brandanschläge gewesen. Allerdings hatte der Verhaftete als Buschauffeur sich mindestens einmal geweigert, orthodoxe Juden zu transportieren. Auch der psychiatrische Gutachter hieb später in die gleiche Kerbe, Antisemitismus sei nicht das Motiv gewesen. Im Herbst verurteilt eine Einzelrichterin den Täter zu zwei Jahren Gefängnis, schob jedoch den Vollzug zugunsten einer ambulanten Therapie auf.

Die Richterin Agnese Balestra Bianchi hat in der Urteilsbegründung allerdings den schnellen Freispruch vom Antisemitismus zumindest relativiert: „Ob man will oder nicht, als der Angeklagte zur Tat schritt, hat er nicht eine katholische oder protestantische Kirche und nicht irgendein Geschäft in Brand gesetzt. Als er in seinem kranken Zustand beschloss, mit Feuer Schäden herzustellen, da suchte er Symbole hebräischer Herkunft“. (10) In einem Kommentar hat Georg Kreis, Historiker und Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR), zuerst darauf hingewiesen, dass der Psychiater zwischen „rationalem und irrationalem Antisemitismus“ unterschieden habe, und dann gefragt, ob man „von gewolltem und ungewolltem Antisemitismus“ (11) sprechen könne und noch angefügt, dass es für die Opfer wohl einerlei sei, von welcher Variante sie getroffen würden.

 

 

(7) Zur Diskussion um den ‚neuen‘ Antisemitismus siehe den Diskussionsband von Doron Rabinovici, Ulrich Speck, Natan Sznaider (Hrsg.), Neuer Antisemitismus?, Eine globale Debatte. Frankfurt am Main, 2004 (8) Eine Ausnahme siehe unter Eiken AG, (9) Blick, 15. März 2005 (10) Georg Kreis zitiert in Basler Zeitung, 8. Dezember 2005. (11) Kreis’ Kommentar ist mehrmals erschienen, beispielsweise in Tachles, 9. Dezember 2005

Muslimfeindschaft

Die Muslimfeindschaft ist im vergangenen Jahr zum zentralen und politisch erfolgreich bewirtschafteten Thema der Diskriminierungswilligen in der Schweiz geworden. Mit einer muslimfeindlichen Kampagne gewannen Exponenten des nationalkonservativen Lagers im Spätherbst 2003 bereits eine Volksabstimmung über die Anerkennung von nichtchristlichen Religionsgemeinschaften im Kanton Zürich.(12) Es sind vor allem VertreterInnen des nationalkonservativen Milieus um SVP und AUNS, die seit Jahren Stimmungsmache gegen Muslime betreiben, allen voran Ulrich Schlüer in seiner Eigenschaft als Herausgeber der „Schweizerzeit“. Der Verlag betreibt ebenfalls einen „Bücherdienst“, in dem Schlüer seit mehreren Jahren muslimfeindliche Bücher bewirbt.
Weiterhin kontinuierlich muslimfeindlich agitiert Pirmin Müller, Präsident der JSVP des Kantons Luzern. Auch verbreitet er weiterhin eine Broschüre, die auf dem Prinzip beruht, ausgewählte Koranzitate gegen die angeblich „christlich geprägten Menschenrechte“(13) zu stellen. Die Broschüre verbreitet Zerrbilder; einerseits verklärt sie das Christentum (pazifistisch, tolerant, demokratisch), andererseits dämonisiert sie den Islam (gewalttätig, undemokratisch etc.).
Im Gegensatz zur jüdischen ist die muslimische Gemeinschaft in der Schweiz noch schlecht organisiert, so dass den muslimfeindlichen Anspielungen, Verleumdungen und Attacken selten öffentlicher Widerstand entgegensteht.
Mit muslimfeindlicher Argumentation kämpfen Diskriminierungswillige in den vergangenen Jahren vermehrt bei Einbürgerungen. Nicht nur bei Volksabstimmungen wie bei der eidgenössischen Volksabstimmung zur Erleichterten Einbürgerung, sondern auch bei Gemeindeversammlungen. Allerdings hat ein Entscheid des Bundesgerichtes, der unbegründete Einbürgerungsverweigerungen ausschliesst, diskriminierende Entscheide eigentlich untersagt, doch wird diese neue Rechtssprechung nicht bei allen Gemeindeversammlungen eingehalten. (14)
Die Einbürgerungsfrage wird auch in den kommenden Jahren Anlass für heftige politische Auseinandersetzungen samt hetzerischen Kampagnen und Auftritten bieten. Ende 2005 reichte die SVP ihre Volksinitiative “für demokratische Einbürgerungen” ein. Das Volksbegehren, das nur sehr knapp die notwendigen Unterschriften erreichte, will erreichen, dass die Gemeinden in Zukunft wieder abschliessend einbürgern können, folglich diskriminierende Abweisungen wieder möglich sein sollen.

(12) Eintrag Kanton Zürich, 30. November 2003
(13) Der Islam in der Schweiz und Europa. Der Weg von Gott zu Allah?“, Luzern 2004, S. 5
(14) Siehe beispielsweise Eintrag Rheineck SG, 21. März 2005

Diskriminierung von Jenischen, Sinti und Roma

Im Jahr 2005 hat der Bundesrat einen „Vorentwurf des Berichtes über die Situation der Fahrenden in der Schweiz“ in die Vernehmlassung geschickt. Dieser Entwurf befasst sich einerseits mit den Auswirkungen einer allfälligen Ratifizierung des Abkommens über Eingeborene und in Stämmen lebende Völker – eine Ratifizierung, die erst vor wenigen Jahren vom Ständerat abgelehnt worden war. Andererseits zeigt der Entwurf Handlungsmöglichkeiten des Bundes zur Schaffung von Stand- und Durchgangsplätzen für Fahrende auf.
Tatsache ist: Trotz vieler Beteuerungen von BeamtInnen und PolitikerInnen haben Fahrende, insbesondere Roma ohne Schweizer Pass, immer noch Mühe, Durchgangs- oder allenfalls Standplätze zu finden, wenn auch in den vergangenen Jahren an einigen Orten neue Plätze eingerichtet wurden. Gelegentlich werden sie auch Ziel von gewalttätigen Angriffen. (15)

(15) Siehe Eintrag Küssnacht am Rigi SZ, 15. April 2005

Fazit:

Auch im Jahr 2005 sind es vorwiegend Menschen aus den verschiedenen Ländern des ehemaligen Jugoslawiens wie auch Menschen schwarzer Hautfarbe – mit oder ohne Schweizer Pass -, die sowohl gesellschaftlich wie auch in der politischen Auseinandersetzung mit rassistischen Anwürfen konfrontiert wurden. Polizeilichen Schikanen und Demütigungen sind vor allem junge Männer schwarzer Hautfarbe – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit – ausgesetzt. Mit Kampagnen gegen Muslime lassen sich gar eidgenössische Volksabstimmungen gewinnen. Antisemitismus ist latent vorhanden, doch dringt er – ausser in den Veröffentlichungen der Rechtsextremisten – selten an die öffentliche Oberfläche. Die Verfassungsrechte der Fahrenden und Jenischen sind zwar anerkannt, doch haben sie weiterhin oft Mühe, Durchgangs- bzw. Standplätze zu finden. Gelegentlich werden Fahrende auch Ziel von gewalttätigen Angriffen.

Reaktionen auf die Chronologie 2004Auch im vergangenen Jahr erhielt die Chronologie „Rassistische Vorfälle in der Schweiz“ die Beachtung jener PolitikerInnen, die mit Rassismus und/oder Fremdenfeindlichkeit Politik machen. Diesmal gehörte überraschenderweise auch ein Mitglied der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) dazu: Rudolf Horber, Politischer Sekretär des Schweizerischen Gewerbeverbandes. Man solle „gefälligst die Proportionen wahren“, titelte er, und schrieb von „sogenannt rassistischen Vorfällen“, die Jahr für Jahr mit Akribie aufgezeichnet würden, hingegen gebe es „keine analoge Statistik über Verbrechen und Belästigungen von Ausländern und Asylanten gegenüber Eidgenossen“. Es sei auch, so Horber weiter, ein „starkes Stück, alle Einbürgerungsverweigerungen und auch Stammtischsprüche als Rassismus zu brandmarken“. (16) Einmal abgesehen davon, dass nur Einbürgerungsverweigerungen aufgrund der Herkunft oder der Religion in der Chronologie aufgeführt werden, dokumentiert die Chronologie nur jene Vorfälle, die im öffentlichen Raum geschehen oder eine politische Absicht haben.

Ein Redaktor der Berner Tageszeitung „Der Bund“ hat Horbers Kritik aufgenommen und Georg Kreis, Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, damit konfrontiert. Frage: „Viele Leute nerven sich über die alljährliche Chronologie der «Rassistischen Vorfälle in der Schweiz». Georg Kreis: Die Liste ist als Dokumentation enorm nützlich. Über einzelne Einträge kann man durchaus geteilter Meinung sein. Frage: Ist es notwendig, SVP-Delegierte, die einen Ausländer anpöbeln, in diese Chronologie aufzunehmen? Georg Kreis: Auf jeden Fall. Es ist im Gegenteil so, dass viel zu wenig berichtet wird. Vielen Schweizern ist es nicht bewusst, dass es eine Schweiz gibt, in der Rassismus an der Tagesordnung ist.“ (17)

Über „selbsternannte ‚Gutmenschen’“ schreibt Werner Wassmer, AUNS-Stützpunktleiter Aargau, in Ulrich Schlüers „Schweizerzeit“, und er verbreitet die schon häufig kolportierte Mär, dass die Chronologie Fälle von Nichteinbürgerungen „gesamthaft“ als rassistische Vorfälle einstufe. (18) Dieser unzutreffende Vorhalt gehört ganz offensichtlich zum Standardrepertoire der Chronologie-KritikerInnen.

 

(16) Pressedienst des Schweizerischen Gewerbeverbandes vom 20. Juli 2005, Rassistische Vorfälle in der Schweiz (17) Chronologie erscheint vollständig unabhängig von der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus. (18) Werner Wassmer, Selbsternannte „Gutmenschen“, Schweizerzeit, 23. September 2005, S. 3