Zürich-Oerlikon, 1. März 1997

SVP-Nationalrat Christoph Blocher lädt zu einer öffentlichen «Klarstellung» der Geschichte der Schweiz im Zweiten Weltkrieg ein und bedient dabei auch die antisemitischen Phantasien eines Teils seiner ZuhörerInnen. Ein Zürcher Jude beschreibt die Stimmung der Blocher- AnhängerInnen im Saal in einem Leserbrief an die «Jüdische Rundschau»: «…kann ich nur schildern, wie die Leute im Saal um mich herum während der Rede reagierten: ‘Uf de Fridhof, die Jude sind sowiso all tot, legemer’s doch dene uf’s Grab,… ‘ oder: ‘Me hett no vill me söle vergase’, reagierten verschiedene auf Blochers Frage: ‘Was und wohin soll das Geld des Fonds gehen?’. ‘Die Soujude wänd sowiso nume Gält’, provozierte Blocher mit seiner Bemerkung ‘es gehe schlussendlich nur um das Geld’. » Am folgenden Tag titelt der «Sonntags-Blick»: “Blocher: Den Juden geht es nur ums Geld”. Blocher klagt daraufhin wegen Ehrverletzung. Kurz nach den Nationalratswahlen 1999 veröffentlicht das Bezirksgericht Zürich den Freispruch und hält in seiner Urteilsbegründung fest: Blocher habe sich “in seiner Rede gegenüber der jüdischen Konfliktpartei, also der jüdischen Gemeinschaft und den jüdischen Organisationen, in ausgesprochen beleidigender Art geäussert und hiebei das Klischee vom geldgierigen – und im Übrigen auch verräterischen Juden – in arger und ärgster Weise strapaziert”. Weiter hält das Gericht fest: “Die Verwendung des Klischees vom geldgierigen Juden und dessen Anspielen über die einzelnen dieses Klischees bestimmenden Qualififaktionsmerkmale erweisen sich auch nicht einfach als vereinzelte Fehlleistungen.” Blocher appelliert umgehend, später einigen sich die Parteien auf einen Vergleich. Bis Dezember 1999 reichen drei Privatpersonen Strafanzeige gegen Blocher ein, alle wegen Rassendiskriminierung, im August 2000 folgt von Amtes wegen die Strafanzeige von Bezirksrichter Bruno Steiner, der im Ehrverletzungsprozess das bezirksgerichtliche Urteil gesprochen hatte. (Blocher reicht gegen Steiner daraufhin eine Disziplinarbeschwerde ein, weil er die Anzeige gegenüber einem Journalisten bestätigte habe.) Der zuständige Bezirksanwalt sieht einen hinreichenden Tatverdacht und beantragt die Aufhebung der parlamentarischen Immunität Blochers. Anfang Juli 2001 stellt die zuständige nationalrätliche Kommission für Rechtsfragen den Antrag, die Immunität nicht aufzuheben. Nach Ansicht der Kommissionsmehrheit habe Blocher nur “von seinem Recht zur Polemik Gebrauch gemacht”. Die links-grüne Minderheit meint hingegen, Blocher habe “mit gekonnter Rhetorik das Bild des geldgierigen Juden evoziert”.