Einschätzung Rechtsextremismus 2005/2

Zürich, 30. Dezember 2005

Auch dieses Jahr Glatzen glänzten 
Rechtsextremismus in der Schweiz im Jahre 2005

Am 1. August standen rund 800 RechtsextremistInnen, viele von ihnen Jugendliche oder junge Erwachsene aus der Naziskin-Szene, auf dem Rütli auf einem kleinen Hügel. Sie grölten, schimpften und pfiffen, wenn der Redner Bundespräsident Samuel Schmid (SVP) für Integration und gegen Antisemitismus und Rassismus sprach. Die Medien thematisierten daraufhin ausführlich das Thema „Rechtsextremismus in der Schweiz“, nur ExponentInnen des nationalkonservativen Lagers, insbesondere auch SVP-Mandatäre, kritisierten entweder die Rechtsextremismus-KritikerInnen, verharmlosten die Rechtsextremisten – beispielsweise als „ein paar hundert Klamauk-Nazis“ (1)- oder rechtfertigten die Ausfälle gegen den Rütlifeier-Redner. So schrieb die SVP des Kantons Luzern, es sei nicht verwunderlich, dass „bei solchen Auftritten ein paar Zwischenrufe und Pfiffe durch die Menschenmenge zu vernehmen“ seien, um dann noch anzufügen, es sei „eine grobe Unterstellung der Presse, wenn nicht sogar eine “Schweinerei”, alle Patrioten in den Kübel der Neo-Nazis einzuordnen.“ Die Kantonalluzerner SVP veröffentlichte dann gar noch ein Inserat, in dem sie auch Material aus dem Umfeld des US-Rechtsextremisten Lyndon LaRouche verwendete. (2)In einem anderen Text in der Parteizeitung der SVP Kanton Luzern stützte sich ein SVP-Exponent auf eine rechtsextremistische deutsche Zeitschrift. Und im Kanton Wallis verteidigten Parteiexponenten die Praxis der Walliser JSVP, in ihrem Internet-Gästebuch auch rassistische und neonazistische Einträge oder Holocaust leugnende Anspielungen zu dulden, mit dem Verweis, dieses JSVP-Forum sei „einer der letzten Räume der Meinungsäusserung und der Freiheit“ (3)

Ein SVP-Mitglied allerdings hatte es auf dem Rütli inmitten der krakeelenden und grölenden Rechtsextremisten zu bunt getrieben, wie Fernsehbilder dokumentierten. Der 23-jährige Pascal Trost, noch im Februar 2005 SVP-Kandidat bei den Aargauer Grossratswahlen, wurde aus der Partei ausgeschlossen. Noch unmittelbar vor dem Aufmarsch hatte Trost auf seiner Homepage geprahlt: „Als stolzer und nationaler Patriot nehme ich in diesem Jahr zum 5. Mal an diesem Grossereignis teil und freue mich erneut auf die vielen Schweizerinnen und Schweizer, die stolz auf ihre Herkunft sind.“ Das SVP-Mitglied, das bis zu den Nationalratswahlen 2003 Mitglied der Schweizerischen Freiheitspartei gewesen war, hatte also bereits mehrmals am Rütli-Aufmarsch teilgenommen. In rechtsextremistischen Foren war Trost allerdings bereits seit längerem mit rüden antisemitischen und rassistischen Ergüssen aufgefallen. Nach seinem Ausschluss hielt er mit seinen Ausfällen noch weniger zurück.

1. August – Ruhetag für das Rütli?Am 1. August 1996 erschienen an der traditionellen Rütlifeier erstmals einige wenige Naziskinheads. Sie provozierten mit dem „Kühnen“-Gruss, zum Missfallen einiger Festbesucher, doch die Polizei hielt die Empörten zur Ruhe an. In den folgenden Jahren erschienen jedes Jahr mehr Rechtsextremisten, meist Naziskinheads, aber auch Holocaust-Leugner. Im Jahr 2000 pfiffen sie den damaligen Festredner Bundesrat Kaspar Villiger aus, (4)die Rechtsextremisten-Kundgebung erhielt danach erstmals breite öffentliche Beachtung, das Boulevard-Blatt „Blick“ prägte den Ausdruck „Die Schande vom Rütli“.
Doch die Rütli-Kommission, Organisatorin der Rütli-Feier, unternahm wenig gegen die zunehmende Vereinnahmung der Feier durch die Rechtsextremisten, diese dominierten allmählich die Veranstaltung. 2005 störten die rund achthundert RechtsextremistInnen die Rede des Bundespräsidenten Samuel Schmid (SVP), vor allem wenn er Worte wie «Integration», «Demokratie» oder «Religionsvielfalt» in den Mund nahm. Die Feier habe «einen erbärmlichen Charakter» angenommen, befand selbst die NZZ, die bis anhin alle Warnungen vor dem Rechtsextremismus als aufgeregtes Getue hinzustellen beliebte. Und auch die sonst als fortschrittlich eingeschätzte Judith Stamm (CVP), Präsidentin der organisierenden Rütlikommission, erklärte gegenüber einem Journalisten, diese «Störaktionen» hätten das «Mass an Zulässigem überschritten». Was nichts anderes heisst, als dass sie an einer stillen Präsenz von RechtsextremistInnen wenig auszusetzen hat.
Bereits zum zehnten Mal marschierten Rechtsextremisten also zur Rütli-1.-August-Feier, doch die OrganisatorInnen schauten so weit weg wie möglich oder rüffelten die Medienschaffenden: «Alles aufgebauscht», hiess es beispielsweise im Jahre 2000, als in den Zeitungen von der «Schande vom Rütli» geschrieben wurde. Wie kommt es, dass ein bürgerliches Innerschweizer Honoratiorengrüppli Jahr für Jahr naiver auf einen RechtsextremistInnenaufmarsch reagiert? Und: Vor welchem gesellschaftlichen und historischen Hintergrund vollzieht sich dieser Aufmarsch?
Es gebe keine Nation Schweiz, «il n’y a pas de nation suisse», behauptete unlängst der Historiker André Reszler, Verfasser von «Mythes et identité suisse». Und er fuhr fort, dass es ein Schweizervolk gebe, das von Personen gebildet werde, die sich zuerst als Bürger (citoyen) ihrer Gemeinde und ihres Kantons fühlen und danach auch noch als Schweizer. Dieser Gedanke ist in den vergangenen Jahrzehnten bereits von anderen Autoren geäussert worden, trotzdem ist er fahrlässig unzutreffend. Denn in diesem Raum, der rund 42 000 Quadratkilometer umfasst und auf der Europakarte als «Schweiz» angeschrieben wird, dürfen rund ein Fünftel der Menschen weder Citoyenne noch Citoyen sein.

Die Schweiz ist zuallererst eine Gesellschaft, in der – wie in anderen Gesellschaften auf der Welt – Männer, Frauen und Kinder zusammen leben, produzieren, konsumieren und durch eine Bürokratie verwaltet werden. Diese Menschen leben in verschiedenen religiösen Traditionen (christlich, jüdisch, muslimisch, buddhistisch und so weiter) oder auch ohne (geht ganz gut!). Sie haben höchst unterschiedliche Vermögen und Einkommen, leben von Kapitalerträgen oder vom Lohn gegen Arbeit. Sie leben als Muotataler Bergpuurli (hoch subventioniert) oder als italienischstämmiger Gewerkschafter (pensioniert, aber immer noch aktiv), der auf die Einbürgerung verzichtete, nachdem ihm die Einbürgerungspolizisten sein linkes Engagement vorhielten und ein Scheitern in Aussicht stellten. Oder als Genfer Privatbankier (verschwiegen wie ein Gletscherloch), der von den Löchern der Eidgenössischen Steuergesetzgebung komfortabel, aber calvinistisch streng lebt. Oder wie jene Sozialwissenschaftlerin, die als Schulkind in den kurdischen Bergen Ziegen hütete, seit über zwanzig Jahren in der Schweiz lebt und für (fast) jede Reise in ein Nachbarland langwierige Passformalitäten erledigen muss.

So weit die Realität. Fakt ist aber auch, dass es eine seit über hundert Jahren gepflegte Ideologie gibt, die die sozialen und politischen Brüche der kapitalistischen Schweiz zukitten soll. Gespeist aus altertümelnden Sagen (Willi Tell, Winkelried et cetera), anschaulich gepflegt auf dem Pilgerort Rütli. Auch Bundesrat Samuel Schmid erzählte am Nationalfeiertag vom «mystischen Ort», der das Rütli sei. Dabei ist Le Gruetli nichts anderes als eine schwer zugängliche Wiese, die der Eidgenossenschaft gehört und von der Rütlikommission verwaltet wird. Eine Kommission, in der sich innerschweizerische Bürgerliche, zumeist CVP-Parteimitglieder, prestigeträchtige Auftritte, nämlich die Rütli-1.-August-Rede, zuhielten.

Die Freisinnigen, immerhin die Gewinner des Sonderbundskrieges 1847 und die Begründer der demokratischen Schweiz, überliessen den katholisch-konservativen Verlierern die Ideologiepflege, und diese pflegten ein Bild der Schweiz der Berge und Landwirte, frei von Städten, Fabriken und ImmigrantInnen. Sie nannten es in den dreissiger Jahren – auch inspiriert von faschistischen Vordenkern – «geistige Landesverteidigung»: Hellebarden, Schweizer Fahnen, Geranien vor den Fenstern. Sie steht für Abschottung nach aussen und Ausgrenzung im Innern – getragen von allen bürgerlichen Parteien und einem Teil der Sozialdemokratie – vor allem auch im Kalten Krieg. Dieses Schweizerbild entsprach der offiziellen Regierungspolitik bis Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Nach dem Zusammenbruch der realsozialistischen Länder und der aussenpolitischen Öffnung (hin zur EU, hinein in die Uno) ist es obsolet geworden.

Die Rütliwiese aber ist immer noch Projektionsfläche für diese abgeschottete und unzeitgemässe Schweiz. Folgerichtig ist sie Anziehungspunkt für die Nationalkonservativen wie auch für die Rechtsextremisten. Was tun? Die 1.-August-Feier auf dem Rütli muss ersatzlos gestrichen werden. Ersatzlos, nicht nur wegen der RechtsextremistInnen – das auch, und ganz besonders -, sondern auch, weil sie gesellschaftlich und politisch überholt ist. Diese Absage lässt Raum für Lösungen. Zum Beispiel: Am 1. August erhält die Rütliwiese (und damit auch der Rütliwirt) einen arbeitsfreien Tag. Betretungsverbot. In einigen Jahren kann man weitersehen. (5)

 

Seit Mitte der 80er Jahre und mit dem Aufkommen der nationalkonservativen Bewegung haben sich in einem Teil der Schweizer Gesellschaft nationalistische – gelegentlich rassistisch motivierte – Deutungsmuster für gesellschaftliche und soziale Probleme aller Art festgesetzt, seien es beispielsweise die sozialen Folgen illegaler Drogen, seien es Bildungsprobleme in den Volksschulen. Neben einigen Kleinparteien fördert auch die Regierungspartei SVP mit diffamierenden Kampagnen ein diskriminierungsfreundliches Klima. Insgesamt verfügt das nationalkonservative Lager über eine Vielzahl von Organisationen und Publikationsmöglichkeiten und über finanziell potente Mitglieder sowie über eifrige ExponentInnen, insbesondere auch LeserbriefschreiberInnen. Es gelingt dem nationalkonservativen Lager immer wieder, die Themen der politischen Auseinandersetzung zu bestimmen.

Daneben hat sich eine marginale, jedoch grössenmässig stabile rechtsextremistische Subkultur etabliert, die sich vorwiegend aus jungen männlichen Erwachsenen rekrutiert und aus Naziskinheads und „Patrioten“ besteht, aber auch aus wenigen Holocaust-Leugnern, aus Aktivisten in politischen Projekten und Militanten in kulturell-politischen Organisationen und Einzelprojekten, die durch ideologische Arbeiten die rechtsextremistische Szene vorantreiben wollen. Wie aber hat sich diese rechtsextremistische Szene im Jahr 2005 entwickelt?

Zwar gab es seit Ende des Zweiten Weltkrieges vereinzelte Bestrebungen von unbelehrbaren Nationalsozialisten/Faschisten, beispielsweise des Lausanners Gaston-Armand Amaudruz, der nun seit rund sechzig Jahren als militanter Nationalsozialist agiert. (6)Doch erst seit Mitte der 80er Jahre bildete sich in der Schweiz allmählich eine marginale, doch wellenförmig wachsende rechtsextremistische Subkultur mit einem ersten ‚Höhepunkt‘ im „kleinen Frontenfrühling“ von 1989(7). Die zahlenmässig stärkste Teilgruppe waren und sind die ‚Skinheads‘, genauer die Nazi-Skinheads, die sich zwar nur schwer in politischen Strukturen organisieren lassen, doch die einschlägige Ideologie in einem subkulturellen Milieu pflegen, vor allem auch durch Veranstaltungen und insbesondere Konzerte. Es waren immer wieder auch Naziskinheads, die in den vergangenen fünfzehn Jahren als Täter von Brandanschlägen auf Asylbewerber-Unterkünften, Angriffen auf missliebige Personen und einschlägigen propagandistischen Akten überführt werden konnten. Der Täter-Ideologie folgten entsprechende Taten.

(1) Christoph Mörgeli in Die Weltwoche, 4. August 2005
(2) Neue Luzerner Zeitung, 22. August 2005. Siehe dazu auch Berner Zeitung, 24. August 2005 und Südostschweiz, 25. August 2005. Die Luzerner Monopoltageszeitung hat in den letzten Jahren über die Aktivitäten der SVP ausführlich und wohlwollend berichtet. (3) Le Nouvelliste, 1 décembre 2005, Coups de griffes saignants sur la toile
(4) Siehe beispielsweise Hans Stutz, Tages-Anzeiger, 5. August 2000
(5) Dieser Text erschien in leicht veränderter Form in Die Wochenzeitung WOZ, 4. August 2005
(6) Hans Stutz, “Adolf Hitler tat sein Möglichstes”, Die Weltwoche, 30. März 2000
(7) Einen Einblick in die Entwicklung ab 1945 geben Jürg Frischknecht, Peter Haffner, Ueli Haldimann, Peter Niggli, Die Unheimlichen Patrioten. Politische Reaktion in der Schweiz. Zürich 1979, S. 443-485, sowie der Ergänzungsband 1984, S. 721-751. Weiter Jürg Frischknecht, „Schweiz – wir kommen“. Die neuen Fröntler und Rassisten. Zürich 1991. Urs Altermatt/Hanspeter Kriesi, Rechtsextremismus in der Schweiz. Organisationen und Radikalisierung in den 1980er und 1990er Jahren. Zürich, 1995.

Naziskinheads und „Patrioten“

Die Jugend-Subkultur „Skinheads“ entstand Ende der 60er Jahre in Grossbritannien, ihr gehörten vorwiegend männliche Jugendliche aus dem Arbeitermilieu an. Skinheads waren Fussball und Alkohol zugetan, liebten Ska, die Musik jamaikanischer MigrantInnen. Sie suchten den Kitzel einer gelegentlichen Randale, sie waren gegen langhaarige Jugendliche, insbesondere Hippies, und auch gegen indischstämmige Einwanderer, jedoch noch nicht explizit rechtsextremistisch oder neonazistisch. (8)Erst Anfang der 80er Jahre, als die beiden britischen Faschistenparteien National Front und British National Party versuchten, in den Fussball-Stadien Mitglieder anzuwerben, bildete sich eine Naziskin-Bewegung aus. In der Schweiz tauchten erste rechtsextremistische Skinheads Anfang der 80er Jahre in Zürich auf, vielfach im Umfeld von militanten Fussballfans/Hooligans, damals insbesondere der „Hardturmfront“.

Seit mehreren Jahren bewegen sich Schweizer Naziskins meist in lokal oder regional verankerten Gruppen oder Cliquen, die weder eine formelle Führung noch einen Namen haben; eher Milieusind denn Organisation. Naziskins sind vielfach zwischen 15 bis 25 Jahre alt, arbeiten in einem handwerklichen Beruf, leben in dörflichen oder kleinstädtischen Verhältnissen. Oder wie es der Dienst für Analyse und Prävention (DAP) ausdrückt: „Die rechtsextreme Szene besteht aus vielen kleinen Gruppierungen. Diese sind meist nicht strukturiert, sondern halten lose zusammen und wechseln häufig die Zusammensetzung und den Namen.“ (9)Wenn die Gruppierungen sich überhaupt einen Namen gegeben haben. Die rechtsextreme Szene in der Schweiz, so das DAP weiter, verfüge „weder über eine einheitliche Weltanschauung noch über eine gemeinsame Basis. Man kann heute von insgesamt gegen 1000 Rechtsextremen in der Schweiz ausgehen.“ Und zur Bedrohung meint das DAP zutreffend: „Rechtsextrem motivierte Aktivitäten gefährden teils punktuell, teils lokal erheblich die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Die Schweiz gilt nach wie vor als attraktiver Standort für Skinheadkonzerte und ähnliche Veranstaltungen“. (10)Was das DAP „punktuelle Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ nennt, kann allerdings für Angehörige von missliebigen Minderheiten gravierende Folgen – beispielsweise schwere Verletzungen – in sich bergen. Im Jahre 2005 mussten sich beispielsweise sechs Naziskins aus dem Kanton Zürich vor dem Bezirksgericht Frauenfeld verantworten, da sie im Frühling 2003 einen 15-jährigen Reggae-Fan dermassen niedergeschlagen hatten, dass dieser lebenslänglich behindert bleiben wird. Motiv der Täter: Sie wollten am Tatabend „Linke ?????“ (11)

(8) Eine ausführliche Darstellung der Jugend-Subkultur der Skinheads – seit ihren Anfängen Ende der 60er-Jahre – bietet Christian Menhorn, Skinheads: Porträt einer Subkultur. Baden-Baden 2001. Eine lesenswerte Darstellung bietet auch Holger Bredel: Skinheads – Gefahr von rechts? Berlin, 2002.
(9) Extremismusbericht (in Erfüllung des Postulats 02.3059 der Christlichdemokratischen Fraktion vom 14. März 2002) vom 25. August 2004, S. 5012
(10) Extremismusbericht (in Erfüllung des Postulats 02.3059 der Christlichdemokratischen Fraktion vom 14. März 2002) vom 25. August 2004, S. 5013
(11) Siehe Eintrag, Frauenfeld TG, ….

Hammerskinheads und Blood and Honour

Obwohl die Naziskin-Szene ist in der Schweiz wenig strukturiert ist, können sich seit Jahren zwei international vernetzte Organisationen halten. Einerseits die Hammerskinheads, die 1986 in Houston/Texas als weisse rassistische Bruderschaft gegründet wurden und unter anderem „weisse Gebiete für weisse Menschen“ (white areas for white people) anstreben, andererseits die in England 1987 entstandene Blood and Honour, als „Independent Voice of Rock against Communism“ gegründet. Sie ist eine „politische Organisation ohne Mitgliederausweis“(12), welche die neonazistische Ideologie mit eigenen Zeitschriften, dem Vertrieb von einschlägigen Devotionalien und Tonträgern wie auch der Organisation von Konzerten verbreiten wollte und will. Im Blood and Honour-Umfeld bildete sich auch eine terroristische Organisation (Combat 18, wobei die Ziffer „18“ für Adolf Hitler steht), die für Anschläge in Grossbritannien und Schweden verantwortlich war.

Beide Organisationen haben auch Ableger in der Schweiz. Bereits Anfang der 90er Jahre gründeten Innerschweizer Naziskins eine Schweizer Sektion, heute die älteste noch bestehende europäische Sektion des „Hammerskin-Nation“. Die Schweizer Hammerskinheads (SHS) gelten als gewiefte und erfolgreiche Konzert-Organisatoren. In den vergangenen Jahren richteten sie immer wieder grosse Konzert aus, am besucherstärksten war das „Sommerfest“ 2002, an dem rund 1‘200 BesucherInnen aus mehreren europäischen Ländern anwesend waren.

Eine Schweizer Blood and Honour-Sektion entstand erst 1997/98, zuerst in der Deutschschweiz, dann in der Westschweiz, deren Exponent, der Ex-Hammerskin Olivier Kunz (13) sich sowohl als Konzert-Veranstalter, Zeitschriften-Herausgeber wie auch eine Zeit lang als Betreiber eines Musikträger-Versandes hervortat. Nach Kunz‘ Verurteilungen wegen Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm wie auch dem Verbot weiterer Naziskinhead-Konzerte – allen voran durch den Kanton Waadt (14) – gingen die Aktivitäten jedoch markant zurück, wenn auch Blood and Honour Romandie sowohl 2003 und 2004 als Mitorganisator von Kundgebungen in Erscheinung trat. (15)Im Jahr 2004 gab es auch verschiedene Hinweise auf eine Zürcher Sektion von Blood and Honour, doch ist über diese noch nichts Näheres bekannt. Im Internet besteht jedoch seit längerem auf einer Combat18-Page auch ein „Swiss Forum“, das seit Mitte August 2004 aufgeschaltet ist und in dem sowohl Westschweizer wie Deutschschweizer Skinheads auftreten.

Von den beiden Naziskin-Organisationen ist 2005 wenig an die Öffentlichkeit gelangt, ausser dass sie beide als Konzert-Organisatoren auftraten, die Hammerskinheads Anfang Juli bei Lyss (16) und die Blood-and-Honour-Skinheads bei einem Konzert in Brig(17). Letzteres erlangte allerdings grosse Beachtung, da das Schweizer Fernsehen versteckt gefilmte Konzertaufnahmen veröffentlichen konnte. (18)

(12) Siehe den Aufsatz von Nick Lowles, Die Internationale des Hasses, in: Christian Dornbusch, Jan Raabe (Hg.), RechtsRock – Bestandsaufnahme und Gegenstrategien, Hamburg/Münster, 2002, S. 233-262, Zitate S. 235.
(13) Neben einem Gesinnungskameraden wurde Oliver Kunz von Daniel Schweizer in dessen Film „Skin or die“ porträtiert. Kunz ist weiterhin aktiv, unter anderem nahm er am Rütli-Aufmarsch 2005 teil. Ein Foto zeigt ihn neben dem Westschweizer Holocaust-Leugner Philippe Brennenstuhl. Kunz trägt dabei ein T-Shirt mit der Aufschrift „Blood and Honour/Romandie“.
(14) Siehe Eintrag La Sarraz, 19. September 2004, wie auch die Artikel in der SonntagsZeitung, 23. August 1998, 13. und 20. September 1998
(15) Siehe Einträge, Yverdon VD, 28. Juni 2003 und Yverdon VD, 4. Juni 2004.
(16) Siehe Eintrag, Ammerzwil BE, 2. Juli 2005
(17) Siehe Eintrag, Brig VS, 17. September 2005
(18) Eintrag, Brig VS, 17. September 2005, und Kasten „Ein Konzert und seine Folgen“

Helvetische Jugend

Die Helvetische Jugend ist eine Umfeld-Organisation der PNOS. Sie wurde Anfang Juli 2004 in der Region Oberaargau gegründet. Zu ihren Zielen zähle, so die Helvetische Jugend auf ihrer Homepage, dass „der Multikultur ein Ende gesetzt“ werde. Dies will sie unter anderem erreichen mit: „Rückführung von gewalttätigen Ausländern. Ausländeranteil muss gesenkt werden“. Weiter mit „Internierungslagern für Asylbewerber“ und „besserer und neutralerer Bildung von Schweizerschulen (nicht weiter linke Stalin und Lenin Propaganda. Trennung von deutschsprechenden Schülern zu nicht deutschsprechenden Schülern“. Und es solle Schluss sein „mit dem linken, desinformierten Medienterror, wir brauchen neutrale Auskunftgeber“.

Aus dem Umfeld der Helvetischen Jugend erschienen bereits im Winter/Frühjahr 2004 mindestes fünf Ausgaben von „Der Widerstand. Das Langenthaler Skinheadmagazin“. In der ersten Ausgabe wird es vom Redaktor Pascal Lüthard als „nationales Blatt“ umschrieben, „im Kampf für Rasse, Volk und Vaterland“. (19)Das Heft beschäftigt sich antisemitisch mit Verschwörungsfantasien (Illuminati als Vollstrecker eines Planes des Bankiers Rothschild zur Eroberung der Weltherrschaft). In einer späteren Nummer ergeht sich der Vorwort-Schreiber („Eugen“) unter anderem über „den Widerstand selbst, die nationalsozialistische Szene im Oberaargau“. Er hält seinen Gesinnungskameraden vor: „Obwohl sich wahrscheinlich viele von euch nicht als Nationalsozialisten bezeichnen. Man muss sich aber vor Augen führen, was wir eigentlich wollen, beziehungsweise wohin unser aller Gedanken führt. Nationalismus, Patriotismus und Skinheadkult sind alles sehr schöne Wörter und Ansichten, aber unsere Anstrengungen müssen in Richtung eines nationalsozialistischen Staatssystems führen. Das ist die einzig ‚rechte’ Staatsform, die sich bewährt hat und funktioniert.“ Dieser Schreiber behauptet gleich noch – in zumindest Holocaust verharmlosender Weise, dass es „den Holocaust so nie gegeben“ habe. (20)In der folgenden Nummer verbreitet der gleiche Schreiber einen biologistischen Rassismus. Rassisten hätten das Recht auf ihrer Seite, „indem wir für die Trennung von Rassen und Völkern einstehen“. In weiteren Beiträgen beschäftigen sich die Heftschreiber mit nationalen Themen, wie dem Bauernkrieg oder der Schlacht bei Sempach. Auch berichten sie über Veranstaltungen der „Initiative Vaterland“(21), einer seit dem Jahr 2000 bestehenden rechtsextremistischen Organisation, über die allerdings wenig bekannt ist.

Mehrere Mitglieder der Helvetischen Jugend wurden 2005 zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilt, da sie Ende Oktober 2004 in Willisau Teilnehmer einer antifaschistischen Kundgebung angriffen. Bei Hausdurchsuchungen fanden die Untersuchungsbehörden eine eindrückliche Menge an Waffen und nationalsozialistischen Devotionalien. (22)

(19) Der Widerstand. Das Langenthaler Skinheadmagazin. Ohne Ausgabenummer, ohne Datum. Ist im Winter 2003/2004 erschienen.
(20) Der Widerstand. Das Langenthaler Skinheadmagazin. Ausgabe 4, März/April 2004
(21) Der Widerstand. Das Langenthaler Skinheadmagazin, Ausgabe 5, Mai/Juni 2004 berichtet über einen Besuch des Festungsmuseums Reuenthal. Oder in der Ausgabe 4 über ein Fest vom 13. März 2004 zum vierjährigen Bestehen der Initiative Vaterland.
(22) Siehe Eintrag Willisau LU, 30. Oktober 2004

Willisauer Widerstand

Auf ihrer Homepage behaupten die zumeist sehr jungen Mitglieder des Willisauer Widerstandes selbstverständlich, sie seien „Patrioten“. Doch bei privaten Festen bevorzugen sie es, sich mit nationalsozialistischen Emblemen zu schmücken. Mehrere Mitglieder nahmen an der Rechtsextremisten-Kundgebung auf dem Rütli teil. Die Gründer des Willisauer Widerstandes sind ganz offensichtlich noch sehr jung, doch hatten sie Vorgänger, den „Nationalen Widerstand Hinterland.“ Leute aus diesem Umfeld rühmen sich, im Mai 2004 in Willisau Einbürgerungen verhindert zu haben. Der Gemeinderat habe, so berichtet ein „unbekannter Hinterländer“ im Skinhead-Zine „Der Widerstand“ später, zehn „volksfremde Menschen aus dem Balkan“ einbürgern wollen. Doch dieser habe „die Rechnung ohne die heimat- und volkstreuen Kameraden des Nationalen Widerstandes Hinterland“ gemacht. Diese hätten in einem Flugblatt die Ablehnung der Einbürgerungsgesuche gefordert und an der Gemeindeversammlung habe sich dann gezeigt, „dass es gelungen war, genügend Leute zu mobilisieren, um die Einbürgerungen abzulehnen.“ (23)

(23) Siehe Eintrag, Willisau LU, 3. Mai 2004 und Der Widerstand, Ausgabe 5, Mai/Juni 2004

Schweizer Nationalisten, Patriot.ch, 848.ch und Co.

In der rechtsextremistischen Szene bewegen sich auch Personen, die weniger ein rassistisches (Europa den weissen Europäern) denn ein ausgeprägt – gelegentlich auch militant – nationalistisches Weltbild (die Schweiz den Schweizern) haben. Die Übergänge zum nationalkonservativen Lager sind hier fliessend. Aus diesem „Patrioten“-Umfeld stammen mehrere Internet-Foren, häufig sind xenophobe und rassistische Einträge, regelmässig lassen sich aber auch Rechtsextremisten vernehmen. Die Betreiber dieser Homepages beteuern gerne und häufig, sie hätten mit Rechtsextremisten oder Neonazis nichts zu tun, so beispielsweise die Betreiber der „848“-Site(24), geführt von Aktivisten aus dem Raum Walensee. Doch auf dieser Site finden sich häufig Einträge von Rechtsextremisten, ebenso rassistische und antisemitisch inspirierte Diskussionen wie auch gelegentlich Aussagen, die den Holocaust zumindest in Frage stellen, wenn nicht gar unterschwellig leugnen.

(24) 848 steht hier für „Heil Dir Helvetia“

Les Identitaires

Anfang Juli 2005 kündigten Les Identitaires de Romandie an, sie würden dem Beispiel französischer und belgischer „Cousins“ folgen. Ihr Ziel ist Verteidigung der europäischen, das heisst weissen Identität. Angesichts der Gefahren der Globalisierung, der massiven Immigration, der Auflösung der „schweizerischen und Europäischen Identität“ sehen sie nur eine Wahl „für die Jugend der Westschweiz: handeln oder sich unterwerfen“ (agir or subir). Und dies alles „für die Romandie, für die Schweiz und für Europa“. Les Identitaires verfügen über eine Internet-Homepage, die allerdings auf den Namen eines französischen Rechtsextremisten eingetragen ist. Über die Aktivitäten 2005 ist wenig bekannt, wie auch über die Zahl ihrer AnhängerInnen. Gegenüber der Zeitung „La Liberté“ behauptete ein Mitglied, die Bewegung zähle einige hundert junger SympathisantInnen in der Westschweiz. (25)Im Sommer forderten Les Identitaires in Bex VD die Schliessung der dortigen Asylbewerber-Unterkunft, dies nachdem ein FDP-Gemeindepolitiker mit rassistischen Sprayereien die Stimmung angeheizt hatte. (26)Mitte Dezember hielt Philippe Vardon, Sprecher der französischen Organisation Jeunesses Identitaires, in Genf einen Vortrag. An der Versammlung sammelte man auch für die Association Solidarité-Kosovo. Dieser Verein unterstützt serbische Waisenkinder in Mitrovica: diese Kinder seien „Töchter und Söhne europäischer Grenzwächter. Wie ihre Vorfahren seien diese gestorben bei der Verteidigung ihres Bodens und dem Schutz Zentraleuropas vor der muslimischen Expansion … einst gegen die Türken, heute gegen die Albaner.“

(25) La Liberté, 8. Juli 2005, Les ‚Identitaires’ revendiquent une centaine de jeunes militants
(26) Siehe Eintrag, Bex VD, 16. Mai 2005

Politisch-kulturelle Aktivitäten

Verschiedene Aktivisten und Organisationen stützen sich auf ein rechtsextremistisches Gedankengut, sie beteiligen sich jedoch nicht an der institutionalisierten Politik, insbesondere nicht an Wahlen. Durch Bildungs- und Vernetzungsarbeit wollen sie politisch-kulturelle Ideologie-Arbeit machen, so die Avalon Gemeinschaft, so Gaston-Armand Amaudruz mit seiner Zeitschrift „Courrier du Continent“, so auch das Waadtländer Ehepaar Paschoud mit ihrer Zeitschrift „Le pamphlet“. Neben diesen seit langem betriebenen Aktivitäten ist in den Jahren 2004 und 2005 auch ein „Bund Oberland“ aufgetreten, betrieben von namentlich noch unbekannten jungen AktivistInnen aus dem Berner Oberland.

Avalon Gemeinschaft Die Avalon Gemeinschaft befleissigt sich einer weit gehenden Geheimhaltung, so dass über ihre Aktivitäten nur wenig an die Öffentlichkeit dringt. Zwar behauptet ihr Exponent Ahmed Huber, auch aktiver Islamist, gelegentlich gegenüber JournalistInnen, auch NationalrätInnen und weitere einflussreiche Leute würden an den Veranstaltungen der Avalon Gemeinschaft teilnehmen. (27)Immerhin bestätigte Huber im Wahl-Herbst 2003 gegenüber der SonntagsZeitung, dass Bernhard Hess, Berner Nationalrat der Schweizer Demokraten (SD), an Avalon-Veranstaltungen teilgenommen habe. (28)Hess bestritt allerdings – wenig überzeugend – seine rechtsextremistischen Kontakte. Im Jahr 2005 hat nun Recht+Freiheit-Redaktor (29) Ernst Indlekofer, erbost über eine Hess-Aussage zum „unwiderruflich untergegangenen Deutschen Reich“, weitere Andeutungen gemacht: „Dem Vernehmen nach geht Hess seit Jahren bei Versammlungen der AVALON ein und aus.“ Und daher müsse Hess auch wissen: „Deutschlands Wandel und Geschichte ist nämlich das Hauptthema anlässlich der jährlich zweimal zelebrierten Sonnwendfeier dieser dem Germanentum frönenden Gesellschaft.“

Die Avalon Gemeinschaft – gelegentlich auch Zirkel Avalon genannt – wurde im Juli 1990 gegründet, mit dabei waren unter anderem Roger Wüthrich, vorher Anführer der Wiking Jugend Schweiz, weiter Andreas Gossweiler, in jenen Jahren Mitglied in mehreren rechtsextremistischen Fronten. (30)An ihren Versammlungen treffen sich neben den bekannten Exponenten Ahmed Huber und Roger Wüthrich Altfaschisten wie auch junge Naziskins.

(27) Hubers Aussagen lassen sich allerdings nicht überprüfen. Ein ausführliches Porträt über Ahmed Huber verfasste Martin Beglinger für Das Magazin, 28. Mai 2004.
(28) Hans Stutz, Bernhard Hess (SD): Besuche bei Neonazi-Parties, SonntagsZeitung, 14. September 2003.
(29) Recht+Freiheit, 3/2005, Seite 2. Das Deutsche Reich existiert!
(30) Siehe Urs Altermatt/Hanspeter Kriesi, Rechtsextremismus in der Schweiz, Zürich 1995, S. 47f. Sowie auch Peter Niggli/Jürg Frischknecht, Rechte Seilschaften, Zürich 1998, S. 585ff

Bund Oberland – Aufruf zum Umsturz

Anfang Februar 2005 verteilten Unbekannte in Spiez ein Flugblatt, wonach „in der ersten Lenin-Regierung 12 Juden waren“ und die bolschewistische Terrorrevolution durch jüdische Wall Street-Bankiers finanziert worden sei. Es ist dies ein bekanntes Muster antisemitischer Agitation. Es ist die erste nachgewiesene Aktion einer Organisation, deren AkvistInnen es bis Ende 2005 gelang, unerkannt zu bleiben. Der „Bund Oberland“ verteilte 2005 auch Flugblätter für ein „Nein zur Ost-Personenfreizügigkeit!“ und veranstaltete eine Kollekte für den Holocaust-Leugner Germar Rudolf.

Nachdem Ende Juli ein Rechtsextremist einen Globalisierungsgegner angeschossen hatte, veröffentlichte der „Bund Oberland“ eine Mitteilung, wonach er diesen Angriff verurteile, nicht aber ohne einzuschränken, man sollte sich besser überlegen, warum dies andere nicht tun. Zwei „Bund Oberland“-Aktivisten – einer nennt sich „beoberland18“(31), der andere „Wille“ – publizieren in verschiedenen rechtsextremistischen Foren antisemitische, Holocaust leugnende Beiträge. Gemäss eigenen Aussagen ist der eine wohl 20-jährig, der andere einige Jahre älter und Fourier der Schweizer Armee. (Diese Angaben liessen sich noch nicht überprüfen.)

Der Bund Oberland versteht sich als „Zusammenschluss von Nationalisten, die sich über Jahre hinweg auf verschiedenen Gebieten der Politik und der Geschichte“ spezialisiert hätten. Er fühle sich „keiner subkulturellen Szene zugehörig“, sondern wolle mit seiner Agitation eine „Volksbewegung ins Leben rufen, die den Fall des gegenwärtigen Systems zum Ziel hat. Der Bund Oberland lehnt daher eine Zusammenarbeit mit subkulturellen Szenen nicht grundsätzlich ab; diese Zusammenarbeit müsste aber eindeutig darauf ausgerichtet sein, die Ziele des Bund Oberland mit aller Konsequenz durchzusetzen.“ Der BO grenzt sich damit von den Naziskins ab.

Die Projekte „Schulhof“/“Schoolyard“Mitte September 2005 tauchten auf einigen Schulhausplätzen, insbesondere des Kantons Aargau, einige CDs auf, die Lieder mit rechtsextremistischem Inhalt enthielten. (32)Damit hatte ein Wahlkampf-Projekt der rechtsextremistischen Nationaldemokratischen Partei Deutschland (NPD) auch Auswirkungen auf die Schweiz.

In der Schweiz vertrieb unter anderem der Bund Oberland (33) die Tonträger, er rühmte sich auf seiner Homepage, rund fünfhundert Exemplare unter die Leute gebracht zu haben. Noch zu Jahresende 2005 konnten Interessierte von der BO-Homepage alle deutsch- und englischsprachigen Lieder herunterladen, beispielsweise auch den rüde antisemitischen Titel „99 Luftballons“ der Gruppe „Volkszorn“. Die Gruppe singt von „99 Judenschweinen“ und ihr Lied endet: „99 Jahre Krieg ließen keinen Platz für Juden. Judenschweine gibt’s nicht mehr und auch keine Türken mehr. Heute zieh ich meine Runden, ich seh die Welt in Trümmern liegen. Ich hab nen Judenkopf gefunden, ich tret noch mal rein und lass ihn fliegen.“ Seit Anfang 2006 sind diese Lieder auf der BO-Homepage verschwunden.

 

(31) Die Ziffer 18 im Namen beoberland18 steht für Adolf Hitler. AH=18, A ist erster, H achter Buchstabe des Alphabets
(32) Siehe Eintrag, Reinach AG, Unterkulm AG, Oberentfelden AG, Fahrwangen AG, Mitte September 2005
(33) Siehe Abschnitt Bund Oberland, Seite …

Gaston Armand Amaudriz’ „Courrier du continent“

Der Altfaschist Gaston Armand Amaudruz ist inzwischen 85-jährig, doch er publiziert weiterhin regelmässig sein hektografiertes zwölfseitiges Blättchen „Courrier du continent“. Der Inhalt bleibt seit Jahren gleich, in einem ersten Teil „Bloc-Notes“ veröffentlicht Amaudruz Zitate aus Zeitungen, gelegentlich mit hämischen Kommentaren versehen. Die „Bloc-Notes“ vermitteln jedoch auch Hinweise (samt Bezugsadressangaben) auf neu erschienene rechtsextremistische Hefte und Bücher und leisten daher Vernetzungsarbeit. Dazu kommen regelmässige Rubriken wie „Kriminalität“ oder „Maulkorb-Artikel“ – wie Amaudruz die Rassismus-Strafnorm zu nennen beliebt. Dazu kommen Texte seiner Mitarbeiter Giuseppe Patanè, Willi Märki und Eduardo Longo. Die letzte Seite bestreitet Amaudruz mit einem Leitartikel, in dem er seine rassistischen, antisemitischen und Holocaust leugnenden Auffassungen verbreitet. Mehrere dieser Kommentare haben Amaudruz vor einigen Jahren einen längeren Gefängnisaufenthalt eingetragen.

„Courrier du continent“ erschien erstmals 1946, seit rund fünfzig Jahren wird sie nun vom Lausanner Altfaschisten Gaston-Armand Amaudruz herausgeben, geschrieben und redigiert. Während Jahrzehnten war das hektografierte Blättchen das offizielle Organ der NOE, einer rassistischen Kleinorganisation, zu deren wichtigsten Exponenten Amaudruz selbst gehörte(34). Es erscheint heute in einer Auflage von mehreren hundert Exemplaren.

(34) Hans Stutz, „Adolf Hitler tat sein Möglichstes“, Die Weltwoche, 30. März 2000

Claude und Mariette Paschouds „Le pamphlet“

In der „Spezialnummer“ zu ihrem 35jährigen Erscheinen frohlocken die Verantwortlichen des Blättchens „Le pamphlet“, vor fünf Jahren seien sie vor dem Aus gewesen, aber nun sähen sie wieder mit Optimismus in die Zukunft. (35)Zehn Nummern veröffentlichte das Waadtländer Ehepaar Mariette und Claude Paschoud im Jahr 2005. Die Autoren – neben den Paschouds noch Michel de Preux, Gérald Berruex und andere – verbreiten einerseits rechtsbürgerliche Gesinnungsartikel, beispielsweise für die Sonntagsarbeit in Bahnhofsgeschäften (Referendumsabstimmung vom 26. November) und gegen den Cannabis-Konsum. Sie äussern auch ihre Abneigung gegen Homosexuelle, insbesondere aber verbreiten sie auch antisemitische Anspielungen und diskret vorgetragene Unterstützung für Holocaust-Leugner und hetzen gegen Muslime. Daneben lässt das Ehepaar Paschoud die Welt auch wissen, dass ihr Sohn Michel geheiratet und sie bereits einige Wochen später zum dritten Mal Grosseltern geworden sind. (36)

Einmal überrascht das Heft des ehemaligen Chefs der juristischen Abteilung der Waadtländer Fremdenpolizei: Es wehrt sich für die von der Ausweisung bedrohten abgewiesenen Waadtländer AsylbewerberInnen, die seit über zehn Jahren in der Schweiz leben. (37)Sonst aber ist das Blättchen unerfreulich, auch dann, wenn Claude Paschoud schreibt, dass er Christoph Blocher nicht besonders schätzt, denn dieser habe vor zehn Jahren nicht die Rassismus-Strafnorm bekämpft und dann auch noch Holocaust-Leugner aus der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) ausgeschlossen. (38)Wohlwollend berichtet „Le pamphlet“ über eine kleine Kundgebung in Paris für die inhaftierten Holocaust-Leugner Ernst Zündel, René-Louis Berclaz und Siegfried Verbeke. Die drei seien im Knast wegen „Knebel-Gesetzen“ (‚des lois-bâillons’)(39). Mit einer antisemitischen Anspielung endet Claude Paschoud einen Text über ein Verfahren wegen Leugnung des türkischen Völkermordes an den ArmenierInnen, in dem er sich über ein Schuldeingeständnis der türkischen Regierung mokiert: Der beabsichtigte Beitritt zur Europäischen Union (EU) und die starken ökonomischen Interessen seien es eben wert, „dass man die Hosen herunterlasse und sich seinen Hintern peitschen lasse, wie dies früher Deutschland für Israel und die Schweizer Bankiers für die jüdischen Gangsters der Ostküste der Vereinigten Staaten“ getan hätten. (40)Grobschlächtiger ist Paschouds Muslimfeindschaft. Den Propheten Mohammed bezeichnet er als „diesen berühmten Analphabeten aus dem siebten Jahrhundert“ und dessen Lehre als „intellektuelles Gift“ (poison intellectuel)(41). Und weiter schreibt er: „Der Koran nährt den Extremismus, und selbst der friedliche Islam predigt Prinzipien, die unsere Gesellschaften verdammen (Sklaverei, Körperstrafen, Ungleichheit der Geschlechter, religiöse Diskriminierung).“ Paschoud macht damit auch deutlich, dass die Muslimfeindschaft in der Schweiz ungehemmter vorgetragen werden kann.

„Le pamphlet“, gegründet von Claude Paschoud, erscheint seit 1970, also seit 35 Jahren. Grössere öffentliche Beachtung erntete das Blättchen, das auch schon eine Auflage von 2’000 Exemplaren erreichte, durch einen Auftritt von Mariette Paschoud. Die (damalige) Mittelschullehrerin trat 1986 in Paris an einer Pressekonferenz des Holocaust-Leugners Henri Roques auf und äusserte „Zweifel an der Existenz der Vergasungskammern in Konzentrationslagern“. Sie wäre 1991 beinahe noch zum Major des Militärischen Frauendienstes befördert worden, nur heftiger publizistischer und politischer Protest verhinderte den Karrieresprung. Ein von Mariette Paschoud angestrengter Ehrverletzungsprozess gegen einen Redaktor des „Bieler Tagblattes“ führte zu einem fatalen Eigentor für die Holocaust-Leugner. Das Bundesgericht hielt nämlich in einem bis heute gültigen Grundsatzurteil fest: „Die Forderung nach einem einzigen Beweis für die Existenz von Gaskammern ist indessen angesichts des vorhandenen Beweismaterials derart absurd, dass sich, auch wenn andere Motive theoretisch immer denkbar sind, der Schluss auf eine Sympathie zum nationalsozialistischen Regime in einem Masse aufdrängt, welches für das Gelingen des Wahrheitsbeweises ausreicht, zumal der Schluss aus äusseren Umständen (Handlungen, Äusserungen) auf innere Tatsachen (Absichten, Motive) naturgemäss kein naturwissenschaftlich exakter sein kann.“ (42)In den vergangenen Jahren beklagte „Le pamphlet“ mehrmals sinkende AbonnentInnen-Zahlen. Seit einigen Jahren ist das Blättchen auch im Internet vertreten, mit eine Reaktion auf die sinkenden AbonnentInnen-Zahlen.

(35) Le pamphlet, No. 350, Editorial
(36) Le pamphlet, No. 347, Carnet rose
(37) Le pamphlet, No. 346, Bricoles. Chiens, chats et réfugiés
(38) Le pamphlet, No. 346, Editorial
(39) Le pamphlet, No. 348, Trop d’honneur!
(40) Le pamphlet, No. 347, Génocides
(41) Le pamphlet, No. 346, Encore Hani Ramadan!
(42) BGE 121 IV 76

„Recht+Freiheit“, Ernst Indlekofer

Wer noch des Denkens fähig sei, stelle fest, so behauptet Ernst Indlekofer, dass „das stets laute Geschrei gegen Rechtsextremismus bloss von den wahren Übeltätern ablenken“ (43)solle. Und wer das ist, das weiss der Basler „Recht+Freiheit“-Redaktor, verurteilt wegen Holocoust-Leugnung(44), seit langem: die Juden und die Freimaurer. Zu den wiederkehrenden Themen gehören Angriffe auf die Rassismus-Strafnorm, die Bestreitung der deutschen Verantwortung für die Auslösung des Zweiten Weltkrieges wie auch wohlwollende Berichterstattung über Holocaust-Leugner. Aufsehen erreichte Indlekofer im September, als er im Abstimmungskampf um die Referendums-Abstimmung zur Ost-Personenfreizügigkeit ein grosses Inserat mit der Überschrift „Mama, warum hat Papa keine Arbeit mehr?“ in mehreren Tageszeitungen publizieren und auch bezahlen konnte. (45) Offiziell wird „Recht+Freiheit“ von einem „Presseclub Schweiz“ herausgeben, doch de facto ist der Basler Ernst Indlekofer(46), inzwischen über 60jährig, weitgehend allein verantwortlich für das Heft, das pro Ausgabe meist sechs bis zehn Seiten umfasst. Im Jahr 2005 sind insgesamt fünf Nummern erschienen. Zu den Autoren zählten Max Disteli, Olten; Fritz Schenkin, Frauenfeld; Theo Häusermann, Basel; aber auch einzelne SVP-Exponenten, so Josef Huber, Obernau, ehemaliger SVP-Grossrat. (47)Der „Presseclub Schweiz“ hielt seine Generalversammlung Ende August 2005 an einem unbekannten Ort ab, wie in den vergangenen Jahren hatten Mitglieder vorher eine persönliche Eintrittskarte anfordern müssen. (48)

(43) Recht+Freiheit, 2/2005, Mai 2005, Editorial (44) Siehe Bundgerichtsentscheid 6P.132/1999. Oder auch Datenbank der Entscheide und Urteile zu Art. 261bis StGB der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, dort Entscheide 1997-18, 1999-12, 2000-10, 2000-30 (45) Recht+Freiheit, 5/2005, November 2005, Dankeschön (46) Zu Person und Wirken von Ernst Indlekofer siehe: Jürg Frischknecht, Politischer Hardcore, Klartext 2/1998 (47) Recht + Freiheit, 2/2005, Mai 2005, Ein Land, das seine Grenzen auflöst, löst sich selber auf! (48) Recht+Freiheit, 3/2005, August 2005, Impressum

MIHAG – Militärhistorische Arbeitsgemeinschaft

In der April-Nummer der deutschen Zeitschrift „Der Freiwillige“, der Publikation der Ehemaligen der Waffen-SS, veröffentlichte die Militärhistorische Arbeitsgemeinschaft Schweiz MIHAG einen Nachruf auf Franz Riedweg, ehemals Obersturmbannführer der Waffen-SS. Die Abschiedsworte, die die MIHAG für Riedweg findet, entlarven zugleich ihr politisches Credo: “Wir, die alten und jungen Kameraden, verlieren mit ihm einen der letzten grossen Kämpfer um ein Europa der Vaterländer.” Der Nachruf endet mit der Anspielung auf einen bekannten Wahlspruch von Hitlers Mordtruppe, die sich als Elite eines nationalsozialistischen Europas sah: “Seine Ehre hiess Treue – zum nationalen Europa.” (49)Bereits einen Monat später verbreitete MIHAG einen weiteren Nachruf, diesmal für Kurt Brüderlin, einst Berner Fröntler, später Obersturmführer der Waffen-SS. (50)MIHAG Schweiz veröffentlichte 2002 Brüderlins Erinnerungen „Einsichten und Ansichten eines Schweizer Freiwilligen“ unter dem Pseudonym Konrad Bergmann.(51) Sein „Erlebnisbericht“ ist ein nazi-apologetischer Erguss.

Die MIHAG Schweiz wurde Mitte der 90er Jahre gegründet und ist über eine Postfachadresse im Berner Vorortsdorf Hinterkappelen erreichbar. Sie schottet sich von der Öffentlichkeit ab. Unklar ist, wie viele Mitglieder die MIHAG überhaupt hat. Erwiesen ist jedoch, dass einer ihrer Exponenten, der Berner Bäcker-Konditor Stefan Kernen, regelmässig an „Kameradschaftstreffen“ von Ehemaligen der Waffen-SS teilnimmt und dort als „Schweizer Kamerad“ oder „eidgenössischer Freund“ bezeichnet wird. (52)

(49) SonntagsZeitung, 24. April 2005
(50) Der Freiwillige, 5/2005, Mai 2005
(51) Konrad Bergmann, Einsichten und Ansichten eines Schweizer Freiwilligen. Bericht eines Schweizer Kriegsfreiwilligen der Waffen-SS.
(52) SonntagsZeitung, 24. April 2005, gestützt auf Berichten in „Der Freiwillige“.