Einschätzung der Situation 2001

Zürich, 31. Dezember 2001

Von den Rechten, ihren Worten und Taten

Fakt ist auch in der Schweiz: Wer eine nichtweisse Hautfarbe trägt oder sich nicht an einen festen Wohnort festbinden will oder einer nichtchristlicher Religionsgemeinschaft angehört oder nichthetereosexuelle Liebesverhältnisse bevorzugt, läuft eine erhöhte Gefahr in der Öffentlichkeit bedroht, beschimpft, angepöbelt oder abgeschlagen zu werden. Der Mechanismus des Hasses und der Ausgrenzung bleibt, die Feindbilder passen sich den wandelnden Feindbilder an. Menschen aus den Ländern des einstigen Jugoslawien, sowie aus der Türkei, wie auch Menschen mit schwarzer Hautfarbe (unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit) erleiden im täglichen Leben Anfeindungen und Diskriminierungen. Sie werden beispielsweise – dies belegen verschiedene Beobachtungen – häufig nicht zugelassen in nächtlich geöffneten Vergnügungslokalen [Siehe zum Beispiel Eintrag Winterthur, 24. August 1999], gelegentlich auch in Restaurants [Siehe zum Beispiel Einträge Reichenburg SZ, Anfang Januar 1999, Region March SZ, 6. August 1998]. Die Rassismus-Strafnorm mit ihrem expliziten Diskriminierungsverbot bei öffentlich angebotenen Dienstleistungen konnte diese Diskriminierungen nicht unterbinden, da die Abweisungen unter irgendwelchen Vorwand geschehen [Bis anhin ist nur wenige Verurteilungen wegen Widerhandlung gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 261bis StGB Abs. 5) bekannt geworden. Siehe beispielsweise Eintrag, Reichenburg SZ, Anfang Januar 1999].

Antisemitismus

Während der Debatte um die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg nahm die Bereitschaft wieder zu, sich öffentlich antisemitisch zu äussern. Nach der Ankündigung einer Globallösung im Sommer 1998 begannen die antisemitischen Äusserungen und Anspielungen in der Öffentlichkeit abzunehmen, ohne aber ganz zu verschwinden. Eine im März 2000 veröffentlichte Meinungsumfrage kam zum Schluss, dass „rund ein Sechstel der SchweizerInnen eine deutliche Nähe zum Antisemitismus“ habe, auch würden „3 von 5 BürgerInnen“ in der einen oder anderen Frage „mit Positionen der AntisemitInnen“ übereinstimmen. Auch lasse sich eine überdurchschnittliche „Übereinstimmung“ mit antisemitischen Aussagen in der Wählerschaft der SVP feststellen. Der Umfrage erwuchs jedoch Kritik, verschiedene frühere Umfragen in den vergangenen 25 Jahren hatten jeweils 7-9 Prozent AntisemitInnen auswiesen.

Eifrigster Antisemit bleibt Erwin Kessler, Präsident und Lohnabhängiger des Vereins gegen Tierfabriken (VgT), der seine Kritik am Schächten weiterhin mit fanatisierten Ausfällen führt und sich dabei bekannter antisemitischer Vorstellungen bedient. Noch bevor Kesslers Prozess wegen Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm vom Bundesgericht höchstinstanzlich entschieden worden ist [Das Bundesgericht bestätigte Ende Dezember die Verurteilung zu 45 Tagen Gefängnis unbedingt.], wurde gegen Kessler bereits ein weiteres einschlägiges Verfahren eröffnet. Die bundesrätliche Ankündigung von Ende September 2001, dem Parlament bei der Revision des Tierschutzgesetzes, eine Aufhebung des Schächtverbotes vorzuschlagen, hat Kessler unverzüglich mit der Ankündigung eines Referendums geantwortet. Die bundesrätlichen Ankündigung erntete in verschiedenen Tageszeitungen viele LeserInnen-Briefe, wobei eine kleine Minderheit auf antisemitische Vorurteile anspielte.

Zwar haben auch einige Tierschutz- bzw. Veterinärmediziner-Organisationen – allerdings ohne antisemitische Untertöne – sich gegen die Aufhebung des Schächtverbotes ausgesprochen, doch vor allem bei Rechtsextremisten fand Kesslers Kampagne Widerhall. Und eine vom Berner SD-Nationalrat Bernhard Hess eingereichte Anfrage bedient auch die Phantasien von Antisemiten, wenn er schreibt: „Haben religiöse Gruppierungen Druck auf die Landesregierung ausgeübt, damit diese das Schächten neu erlauben soll?“ [Einfache Anfrage Bernhard Hess vom 3. Oktober 2001] Und der Seetaler SVP-Ortspräsident Andreas Müller, Gelfingen LU, schrieb von „übergeordnetem Druck“, dem der Bundesrat sich gebeugt habe[Seetaler Bote, 27. September 2001]. Er nimmt damit die antisemitische Vorstellung jüdischer Weltherrschaft auf.

Kessler führt auch einen prozessträchtigen Kampf gegen jene KritikerInnen, die ihm Antisemitismus, Antiislamismus oder Kontakte zu rechtsextremistischen Exponenten vorwerfen. Besonders eifrig bekämpft Kessler die juristische Dissertation von Pascal Krauthammer [Pascal Krauthammer, Das Schächtverbot in der Schweiz 1854-2000. Die Schächtfrage zwischen Tierschutz, Politik und Fremdenfeindlichkeit. Zürcher Studien zur Rechtsgeschichte, Zürich 2000.], der zum Ergebnis kommt, dass sich bei Kessler „die Schächtfrage mit der rassistisch gestellten Fremdenfrage“ vermische [Krauthammer, Die Schächtfrage, S. 246-262]. Krauthammer weiter: „In Anbetracht seines institutionalisierten Antisemitismus und Rassismus erstaunt es kaum, dass Erwin Kessler intensive Kontakte zur rechtsextremen und revisionistischen Szene pflegte [Krauthammer, Die Schächtfrage, S. 261].“ Seit Jahren verbreitet Kessler aber auch – so Krauthammer – mit verschiedenen Talmudstellen „ein Zerrbild des Talmud“, wonach dieser alle Juden verpflichte, Christen zu schädigen oder zu vernichten [Krauthammer, Die Schächtfrage, S. 262]. Aufschlussreich, da den Vorwurf bestätigend, war Kesslers Reaktion: Auf der VgT-Homepage bezeichnete er die Dissertation als „jüdische Hetze gegen Tierschützer“ und schrieb unter anderem: „Wo sind die liberalen, aufgeschlossenen Juden mit einem Verantwortungsgefühl gegenüber nichtjüdischen Lebewesen?“[VgT-Homepage, www.vgt.ch, Eintrag vom 21. 12. 2000].

Gelegentlich klingen auch in parlamentarischen Vorstössen antisemitische Vorstellungen an. Nur ein Beispiel: Josef Huber, Luzerner SVP-Grossrat, der schon mehrmals als Verbreiter von rechtsextremistischen Ideologiefragmenten aufgetreten ist, reichte im Sommer 2001 eine Interpellation ein [Siehe Eintrag, Luzern, 3. Juli 2001], nachdem die Basler Künstlerin Renée Levi die künstlerische Ausgestaltung des renovierten Grossrats-Saales vollendet hatte. Der Luzerner Regierungsrat wies die Unterstellungen des Interpellanten kategorisch zurück: „Die Anfrage fixiert die Künstlerin auf eine vermutete Religionszugehörigkeit und unterstellt dieser Religion und ihren Angehörigen unredliche Absichten, die sich gegen das Christentum richten. Diesen Vorwurf und die Argumentation weisen wir mit aller Deutlichkeit zurück und wehren uns gegen diese Verunglimpfung der renommierten Künstlerin und ihrer Religion [Einfache Anfrage Josef Huber (Nr. 437), Antwort des Regierungsrates vom 6. November 2001].“

Jenische

Trotz vielen schönen Beteuerungen von Beamten und Politikern haben Jenische, insbesondere Romas ohne Schweizer Pass, immer noch Mühe Durchgangsplätze zu finden. Entweder wird ihnen von der Polizei das Anhalten verunmöglicht oder sie werden später vertrieben

Rechtsextremismus

Die Gründe für das Ansteigen der Zahl der Rechtsextremisten sind vielfältig, trotzdem lassen sich mehrere Motivationsstränge ausmachen. In den vergangenen Jahren ist – vor allem in der deutschsprachigen Schweiz – die Staatsangehörigkeit zu einem verbreiteten Erklärungsmuster für gesellschaftliche, soziale, pädagogische und viele weitere Probleme geworden. Seit bald fünfzehn Jahren propagiert eine Regierungspartei solche Deutungsmuster auch mit diffamierenden Kampagnen, bis Mitte der 90er-Jahre vielfach unterstützt von Ringiers Boulevardblatt „Blick“ [Noch immer lesenswert: Jürg Frischknecht, Wer ist der Schlimmste im ganzen Land? Der Tamil, der Türk, der Asylant. ‚Blick‘ – der NA bestes Sprachrohr, in: Elvira Y. Müller u.a. (Hrsg.), Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Die Schweiz und ihre Flüchtlinge, Zürich 1986, S. 154-168].Die Fremdenfeinde agieren in einem Traditionsstrom der Schweizer Politik, die seit bald hundert Jahren AusländerInnen als Bedrohung darstellt, einmal die „Überfremdung“, gelegentlich auch die „Verjudung“ beklagt [Die 18-Prozent-Initiative, welche der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung auf 18 Prozent limitieren wollte, nahm diese Tradition auf. Sie wurde im September 2000 in der Volksabstimmung deutlich abgelehnt]. Insgesamt sind auch die sozialen Differenzen gestiegen, die langjährige Rezession, sowie Deregulierung und Staats- und Sozialabbau brachten Teilen der Gesellschaft einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Abstieg. Von kurzzeitigen Konjunkturerholungen profitieren nicht allen Wirtschaftssektoren, in einzelnen Sektoren (zum Beispiel Landwirtschaft) geht der strukturelle Abbau – wenn auch allenfalls verlangsamt – weiter.

Der Rütli-Aufmarsch (1. August 2000) von über hundert Naziskins führte in der Schweiz zu einer monatelangen öffentlichen Diskussion über den Rechtsextremismus. (Was jahrelang kaum wahrgenommen wurde, wurde endlich wahrgenommen.) In mehreren Kantonsparlamenten stellten PolitikerInnen, meist Mitglieder linker oder grüner Parteien, Rechtsextremismus zur Diskussion [siehe zum Beispiel: Kanton Thurgau, Interpellation August Krucker (FDP) vom 30. August 2000]. Der Kanton Basel-Landschaft gab gar einen Bericht über den Rechtsextremismus in Auftrag. Die Absicht war überzeugend, die Ausführung weniger. Der Bericht, verfasst vom Sozialpädagogen Franz Kohler, kommt zum Schluss, dass im rund eine Viertelmillion zählenden Kanton wohl nur siebzig bis hundert Jugendliche und junge Erwachsene wohnen würden, die zu den Rechtsextremisten gezählt werden könnten. Die Zahl mag allenfalls zutreffend sein, doch Kohler erhob seine Zahl nicht durch Erhebungen, sondern als Mittelwert aus den Schätzungen von rund einem Dutzend GesprächpartnerInnen [Franz Kohler, Grundlagenpapier zur Verbreitung des Rechtsextremismus unter schweizerischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Kanton Basel-Landschaft, Dezember 2000]. Weiter zog Kohler die Schlussfolgerung: „Wir können somit nicht mehr eigentlich von Rechtsextremismus sprechen, sondern von einem jugendlichen Phänomen, welches sich faschistischer, nationalsozialistischer Symbole und Embleme bedient, um zu provozieren und so zu Schaffung einer eigenständigen Identität beizutragen. (…) Eine rechtsextremistische Ideologie dürfte zum jetzigen Zeitpunkt bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Kanton Basel-Landschaft eine untergeordnete Rolle spielen.“ Immerhin warnte Kohler: „Sollte unterschwelliger Rassismus im öffentlichen Diskurs weiter an Salonfähigkeit gewinnen, könnte die Orientierung leicht ins Ideologische kippen“Kohler, Grundlagenpapier, S. 19. Selbst wenn man Kohlers abwiegelnden Argumentationsweise (nur Provokation, keine Ideologie) folgen würde, widersprach seine Schlussfolgerung den Tatsachen: Kohler erwähnte – um seine Schlussfolgerung folgerichtig erscheinen zu lassen – ganz einfach die Aktivitäten einer im Kanton Basel-Landschaft tätigen rechsextremistischen Gruppierung, nämlich der Partei National Orientierter Schweizer, mit keinem Wort.

Die breite Diskussion um Skinheads und Rechtsextremismus erhielt Widerspruch, einerseits aus den Reihen der SVP und ihnen nahestehenden Personen, andererseits auch aus den Reihen der Schweizer Demokraten. Mehrere Exponenten der „Schweizer Demokraten“ veröffentlichten absurde Verschwörungsphantasien. Bernhard Hess, noch einzig übrig gebliebener SD-Nationalrat und Parteisekretär, schrieb von Skinhead-Hysterie und einem „konstruierten Phantom“. Der Zweck sei gewesen: „Diese Inszenierung, welche gleichgeschaltet von beinahe sämtlichen Medienschaffenden mitgetragen wurde, diente einzig dem Zweck, die 18%-Initiative zu bodigen [Schweizer Demokrat, 11/November 2000, Seite 1].“ Angelehnt ein bekanntes antisemitisches Stereotyp äusserte Hans Steffen, ehemaliger SD-Nationalrat, „die Vermutung, dass hier in grossem Stil manipuliert wird: Hinter sowohl der Anarchisten- als auch der Skinhead-Szene bewegen sich Drahtzieher, welche auf Befehl beide Gruppen gezielt einzusetzen vermögen.“

Politisch-kulturelle Unternehmen

Neben den Skinheads bestehen in der Schweiz noch andere rechtsextremistische Strömungen, neben den Holocaust-LeugnerInnen und den politischen Parteien, sind es politisch-kulturelle Organisationen, die sich nicht in institutionalisierten Politik engagieren, das einschlägige Gedankengut jedoch durch kulturelle und/oder politische Bildung verbreiten wollen. In der Deutschschweiz versucht es die Avalon-Gemeinschaft, vorallem auch ihr Primus Roger Wüthrich. An den Avalon-Veranstaltungen treffen sich jugendliche Naziskins, Holocaust-LeugnerInnen, politiserte Rechtsextremisten wie auch die letzten überlebenden Schweizer, die einst in der Waffen-SS kämpften. In der Westschweiz bemüht sich vor allem der Genfer Anwalt Pascal Junod um die Verbreitung rechtsextremer Ideologien, sowohl beim Cercle Proudhon wie auch der Cercle Thulé treten immer wieder französische Vertreter der rassistisch inspirierten Nouvelle Droite und von Rechtsextremisten-Parteien auf.

Seit Jahrzehnten erscheinen in der französischsprachigen Schweiz auch zwei kleine Publikationen, die rechtsextremstische Positionen verbreiten, einerseits Gaston-Armand Amaudruz‘ „Le Courrier du continent“ , andererseits „Le pamphlet“, herausgegeben und betreut vom Waadtländer Ehepaar Mariette und Claude Paschoud. Seit Jahren hat „le pamphlet“ mit Erscheinungsschwierigkeiten zu kämpfen. Im Dezember 2000 kündigte das Blättchen nun an, dass es – bei gleichbleibenden Abonnementspreis – mutmasslich nur noch fünfmal erscheinen werde. In der Zwischenzeit verbreiten die Paschouds ihr Blättchen auch über das Internet.

Holocaust-Leugner

Seit der Flucht von Jürgen Graf, dem eifrigsten Schweizer Holocaust-Leugner, hat die kleine Gruppe der publizierenden Schweizer Holocaust-Leugner an Schwung verloren. Organisierte die Vereinigung im Winter 1999/2000 mehrere gut besuchte Veranstaltungen fanden in den vergangenen Monaten – soweit bekannt – keine weiteren Veranstaltungen mehr statt. Die ideologische Ausstrahlung in weitere Teile der rechtsextremistischen Szene ist jedoch geblieben. Dazu zeugt auch ein Hinweis im elektronisch verbreiteten Newsletter „Reconquête“, den die Genfer Jeunesse Nationaliste Suisse et Européene verbreitet. Die jungen Genfer empfehlen eine die Kontaktaufnahme mit „Vérité et Justice“, der Vereinigung der Schweizer Holocaust-Leugner. Der Verein veröffentliche, so „Reconquête“, „gute Literatur, die sich sehr stark von der Desinformation der Medien und der Politik“ abhebe.

Missglückt ist der Versuch von Verité et Justice in Beirut Ende März 2001 in Beirut eine grosse internationale Konferenz der Holocaust-Leugner abzuhalten. Nach einigen Medienberichten und Interventionen libanesischer Behörden mussten die Organisatoren den Anlass absagen. Weiterhin erscheint jedoch ein „Bulletin d’information“ der Vereinigung, meist vierseitig, gelegentlich aber auch nur zweiseitig.

Graf ist nicht der einzige Schweizer Holocaust-Leugner, der sich der Strafe entzogen hat. Von der Südspitze Portugal aus, meldet er sich gelegentlich Adres J. Studer mit Comminiqués. Anfang 2001 beispielsweise, behauptete er, dass er sich „als Christ und Anthroposoph“ [Andres J. Studer, Comminiqué vom 17. 1. 2001, zitiert in Courrier du Contient, Numéro 427, März 2001, S. 2. „Comme chrétien und anthroposophe je m’oppose au mensonge international de l’holocauste“]gegen die „internationale Lüge vom Holocaust“ stelle. Auch der Winterthurer Max Wahl verbreitet seine „Notizen“ weiterhin. Zwar nur noch „für den engsten Kreis ehemaliger ‚Eidgenoss‘-Abonnenten“, doch die Botschaft ist unvermindert eine Verherrlichung des Nationalsozialismus‘. Im Sommer 2001 schreibt Wahl beispielsweise: „Aber der eigentliche deutsche Fortschritt, von dem man also weiss, haben bestimmte Deutsche, die nach 1945 ebenfalls unauffindbar waren, vor den Räubern und Zerstörern in Sicherheit gebracht. Der jüdisch-allierte Krieg gegen das Reich geht deshalb weiter. Wahl spielt damit auf Vorstellungen der ‚braunen Esoterik‘ an.

Der Holocaust-Leugner Bernhard Schaub tritt inzwischen auch als Vertreter der Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) auf. Schaub ist in Deutschland zu einem begehrten Vortragsredner geworden. Mitte Mai 2000 beispielsweise referierte er bei drei sächsischen NPD-Kreisverbänden. Ein „bewährter Schweizer Freund“ habe eine Einführung in die germanische Mythologie gegeben, berichtete ein NPD-Parteiblatt [Notizen (29), 16.06.2001, teilweise abgedruckt in: GDO-Rundbrief 2001, Sommerausgabe, S. 51]. Schaub habe „zwei zerstörerische Pseudophilosophien“ genannt, „ an die wir glauben sollen und die zum Niedergang Mitteleuropas geführt haben: den Materalismus und die Vorstellung allgemeiner Menschenrechte. Diese Ideologien gingen seit dem 18. Jahrhundert von höchst intelligenten Hinterzimmerkreisen Frankreichs, Englands und Nordamerika hervor und zielten auf eine Weltdiktatur durch Einebnung alles völkisch und kulturell Eigenständigen.“ Und im August 2000 trat er beim einstigen Rechtsterroristen Manfred Roeder auf, der den 30. Jahrestag der Grund der Deutschen Bürgerinitiative feierte. Schaubs Vortrag sei der „Höhepunkt“ des Programms gewesen, schreibt Roeder in einem Brief an Gesinnungsfreunde. [Deutsche Bürgerinitiative, 7/2000] Nicht alle Schaubschen Auftritte verlaufen jedoch erfolgreich. Angekündigt als „E. Wolff“ sprach Schaub am „Synergon Kolloquium im Collegium Humanum“ über den faschistischen Philosophen Julius Evola, der in den vergangenen Jahren auch in esoterischen Kreisen vermehrt Beachtung findet [Archiv-Notizen, Mai 2001, herausgegeben vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS)]. Jean Cremet, Pseudonym für einen engagierten Beobachter der rechtsextremistischen Deutschen Neuen Rechten, mokiert sich über Schaubs Auftritt: „Sein Vortrag über Evola ist keiner weiteren Erwähnung wert, hätte vielleicht noch eben als Hausarbeit im Grundstudium Philosophie durchgehen mögen. Auf sehr schmaler und eigenwilliger Quellenbasis versuchte Schaub, ein Bild Evolas zu zeichnen, das mittels Aussagen über die ‚typenbildende Macht des Geldes beim Amerikanismus“ mit seinen eigenen Positionen in Deckung zu bringen sei.“ In der nachfolgenden Diskussion wurde Schaub heftig kritisiert: „Und sehr zum Ärger Schaubs war bald er nicht mehr der Ansprechpartner als Fachmann.“

Ideologen

Im Alleingang veröffentlichte der Genfer Alfred Künzli sein deutschsprachiges Blättchen «Euronews», über dessen Auflage und Reichweite ist wenig bekannt. Auf Anfang 2001 hat der Genfer Verschwörungsphantast nun die Einstellung seines Blattes verkündet [Jüdische Rundschau, 4. Januar 2001]. Eine grössere Verbreitung hat die Zeitschrift «Recht+Freiheit», redaktionell betreut vom einstigen Basler SVP-Mitglied Ernst Indlekofer. Offizieller Herausgeber der Zeitung, ein Sprachrohr zu Gunsten der Holocaust-Leugner, ist ein Presseclub Schweiz, über dessen Strukturen und Mitgliederstärke bis anhin nur wenig bekannt geworden ist. Im Mai 1999 erschien erstmals auch eine französischsprachige Ausgabe.

Skinheads

Die Zahl der rechtsextremistischen Skinheads ist auch im Jahr 2001 konstant hoch geblieben [Staatsschutzbericht 2000, S. 12ff]. Zwar hat die Tötung eines Mitgliedes des (vorher unbekannten) Ordens der arischen Ritter durch vier Kameraden [Siehe Eintrag, Unterseen BE, 27. Januar 2001] den Zulauf zumindest vorübergehend abgeschwächt. Zwar ist immer noch davon auszugehen, dass die meisten jungen Naziskins, die sich irgendwo in Cliquen oder lokalen Grüppchen zusammengefunden haben, mehr an Bier und allenfalls Randale gegen missliebige Menschen interessiert sind, doch versuchen inzwischen mehrere Organisationen die Politisierung der Szene voranzutreiben. Diesen Weg beschreiten vor allem drei Parteigründungen, auch wenn ihnen- falls sie überhaupt einmal an Wahlen teilnehmen, – wohl kein Sitzgewinn gelingen wird. Es sind in der Deutschschweiz die Nationale Partei der Schweiz (NPS) und die Partei national Orientierter Schweizer (PNOS), sowie in der Westschweiz die Jeunessse Nationaliste Suisse et Européenne (JNSE). Aber auch die Skinheads von Blood and Honour Romandie bemühen sich um eine politische Schulung der Hirne unter den Glatzen.

Die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) wurde Anfang September 2000 gegründet. Als Signet verwendet die Partei einen Morgenstern in einem Schweizerkreuz. Ein Signet, das sie von der „Neuen Nationalen Front“ übernommen hat, die Mitte der 80er-Jahre für kurze Zeit im Kanton Aargau aktiv war. Präsident ist der heute 23jährige Maurer Sacha Kunz, einst Mitglied von Blood and Honour Schweiz, Vizepräsident ist Jonas Gysin. Die PNOS-ler haben in der Zwischenzeit einige programmatische Schriften ins Netz gehängt. Sie verbinden biologistische Argumentation mit diskriminierenden Forderungen. Im „Kampf für das Überleben unseres Schweizer Volkes“ stelle die PNOS „den besonderen Schutz der Familie als Träger des biologischen Erbens in der Mittelpunkt des politischen Wollens“. Daher müsse die Sozial- und Steuerpolitik „vor allem junge und Kinderreiche (sic!) Schweizer Familien“ fördern und um dies zu erreichen, will die PNOS „die Ausgliederung von Ausländern aus dem schweizerischen Sozialversicherungssystem“. In einem „Spendenbrief“ kündigen sie auch die Schaffung von „mobilen Einsatzgruppen“ an.

Im Juli 2001 brachte die Partei ihre Publikation „Zeitgeist“ heraus, nachdem sie die Zeitschrift „Der Nationalist“ nach einer Ausgabe umtaufte („Wir sahen uns aus Ethischen gründen (sic!) zu diesem Schritt veranlasst“) . Die „Zeitgeist“-Texte stammen vor allem von Kunz und Gysin. Erkenntnisfördernd wie ein Skifahrer-Interview nach der Lauberhornabfahrt, ist ein „Zeitgeist“-Gespräch mit dem PNOS-Präsidenten. Frage: „Was halten Sie von der zunehmenden Mechanisierung der Landwirtschaft?“ Antwort Kunz: „Die Zukunft wird es zeigen.“ Bereits die nahe Zukunft wird zeigen, ob ein erster Parteiausbau gelingt. Die PNOS sucht per „Zeitgeist“-Inserat „Büroräume in Basel“ und einen „guten Computer“. Einen Erfolg konnte die PNOS immerhin Ende Januar 2001 vermelden: Am 27. Januar, an jenem Samstag, als in der Schweiz ein faktisches Demonstrationsverbot gegen das World Economic Forum (WEF) bestand, lud die PNOS – zusammen mit Pascal Lobsigers Nationaler Aufbau-Organisation (NAO) – zur Kundgebung „gegen Globalisierung und linke Gewalt“ nach Olten. Die Rechtsxtremisten waren folglich die einzigen, die ungehindert gegen das WEF demonstrieren konnten.

Im Herbst 2001 trieb PNOS-Präsident Sacha Kunz die Einrichtung eines Versandhandels voran, der einschlägige Kleider und Tonträger hätte verbreiten sollen [Basler Zeitung, 6. November 2001]. Einschlägige Literatur vertreibt auch ein Postversand (Skadi-Versand), der über eine Postfach-Nummer in Solothurn erreichbar ist.

Nationale Partei der Schweiz (NPS)

Mit einigem Lärm trat die „Nationale Partei der Schweiz“ (NPS) im April 2000 erstmals an die Öffentlichkeit. Geplant war die Gründung einer Schweizer Sektion der NPD, doch die Pläne zerschlugen sich nach ersten Medienberichten: Gar zu ungeschickt, führte sich der NPS-Präsident David Mulas auf. Einen Moment schien es gar, als handle es ich um eine politische Totgeburt, doch inzwischen sind drei Nummern der Parteizeitung „Das nationale Blatt“ erschienen. Das Blättli besticht durch seinen schöpferischen Umgang mit der Deutschen Sprache, insbesondere der Klein- und Grossschreibung. Es lobt die Deutsche Wehrmacht, lästert über Cannabis, beschimpft die Berner Antifa und bedroht mehrere missliebige Personen.

Auch die NPS behauptet, sie wolle an den Nationalratswahlen teilnehmen. Man wolle, so berichtet „Das nationale Blatt“ im Januar 2001, „in nächster Zeit in verschiedene Schulungen schicken“. Die Wahlchancen erachtet man selbst als gering: „Leider haben wir keine Andere Wahl, als uns diesem System für kurze Zeit zu unterziehen, d. h. Einen Einstieg im Bundeshaus erreichen wir nur durch getarnte Demokratie.“ Ob es nun Drohung oder Angeberei: „Wir werden schon dafür sorgen, dass man unsere Politik zu begreifen lernt.“ Bereits in nächster Zeit sollen sich NPS-Mitglieder für politische Mandate bewerben. „Jedoch werden diese nicht als Vertreter der NPS (vorab nur) eingereicht, weil sonst eine Medienhetze nicht zu vermeiden wäre“.

Blood and Honour Romandie

Auch in der Romandie geht der Versuch der Politisierung weiter. Sowohl Blood and Honour (B&H) Romandie wie der Jeunesse Nationaliste Suisse und Européenne (JNSE) verbreiten via E-mail bzw. im Netz regelmässig Newsletter. In ihrem Newsletter Nummer 8/Ende Juli 2001 bezeichnet B&H-Romandie den Oklohoma-Bombenattentäter Timothy McVeigh als “einen unserer grössten Krieger, der uns von ZOG weggenommen worden ist”. Der Hingerichtete könne sicher sein, dass “seine Heldentat für Rasse und Nation” niemals vergessen werde. (ZOG ist ein unter Rechtsextremisten verbreitete Abkürzung und bedeutet Zionist Occupation Governement, was soviel wie ‘Judenregierung’ meint.)

Der B&H-Newsletter wird von einem (namentlich noch nicht bekannten) Skinhead geschrieben, der sich hinter dem Pseudonym „Edelweiss“ verbirgt. Unklar ist wie weit der (übrigens englischsprachige) Newsletter verbreitet wird, ebenso unklar ist die Grösse der Westschweizer B&H-Sektion. Der Staatsschutzbericht 2000 behauptet, die Sektion habe rund 30 Mitglieder. Dies „seien ihre Zahlen, nicht unsere“, kommentiert der B&H-Schreiber. Unbestritten ist hingegen, dass die Sektion seit Winter/Frühling 2001 über ein Postfach in Morges/Kanton Waadt erreichbar ist. „Edelweiss“ berichtet auch von den Bildungs- und Politisierungsanstrengung und den politischen Verbindungen. Der April 2001-Newsletter beispielsweise erwähnt einen „sehr interessanten Vortrag“ den der französische Rechtsextremist Guillaume Faye am 30. März 2001 in Genf gehalten habe. Eingeladen hatte der Cercle Proudhon. Faye habe, so der B&H-Newsletter, eine kurze aber feurige und anregenden Rede über die Gründe unseres Kampfes“ gehalten.
Der Faye-Vortrag war der Abschluss eines rechtsextremistischen Bildungsmonates. Am 2. März organisierte die Avalon-Gemeinschaft einen „Informationsabend für Nationalistische Eltern“ (B&H-Newsletter), über Kindererziehung, Gesundheits- und Nahrungsfragen. Vom 16. bis 18. März organisierten die Schweizer Hammerkins eine Bildungsveranstaltung über Islam, Juden- und Christentum. Redner war unter anderem Ahmed Huber, der auch den Besuch einer Moschee organisierte. Am 24. März lud B&H-Romandie zum Vortrag eines Mitgliedes. Dieser sprach über die mystischen Wurzeln des Nationalsozialismus‘, die Gründung der NSDAP und über die nationalsozialistischen und „radikal nationalistischen Organisationen“ in der Schweiz, von den Dreissiger Jahren bis heute. Rund vierzig „Kameraden“ seien anwesend gewesen, berichtet der B&H-Newsletter.

Jeunesse Nationaliste Suisse et Européenne

Im Januar 2001 suchte eine Jeunesse Nationaliste Suisse et Européene (JNSE) auf der Internet-Site eins FC Servette-Fanclubs nach jungen Militanten. Die JNSE ist erreichbar über eine Poste Restante-Adresse in Puplinge, einem Dorf ausserhalb von Genf. „Reconquête“ (Wiedereroberung) nennt sich der JNSE-Newsletter, der seit Januar 2001 regelmässig erscheint und der via einer französischen Rechtsextremisten-Site verbreitet wird. Ziel der Gruppe sei es, so steht es im Januar-Newsletter, alle „jungen, militanten Nationalisten in Genf“ zu vereinigen, um ihnen verschiedene militante Aktionen vorzuschlagen“, darunter Flugblätter verteilen und kleben, Sport und Feste. Pessimistisch die JNSE-Einschätzung im August: Der Untergang der Indo-Europäer sei mehr denn je vorprogrammiert „mit der baldigen Ankunft von 900 Millionen Einwanderer nach Europa“.

Öffentlich vor die Kamera zu treten, getrauten sich die JNSE-ler allerdings nicht. Télévision Suisse Romande habe JNSE angefragt – so berichtet der Februar Newsletter – sich an einer Diskussion zum Ausländerstimmrecht zu beteiligen. „Die Furcht vor stalinistischen Prozessen wie auch die Empfehlung des Arbeitgeber-Verbandes, alle Personen die mutmasslich der Rechtsextremisten-Szene angehörten, sollten entlassen werden, haben uns überwunden“, begründete der Newsletter die Absage.

Ablehnung der Rassismus-Strafnorm

Bald sieben Jahre nach der Annahme der Rassismus-Strafnorm haben die GegnerInnen ihre Niederlage noch immer nicht verdaut. Seien es nun SVP-ExponentInnen, seien es die Schweizer Demokraten, seien es Erwin Kessler oder Rechtsextremisten wie Gaston-Armand Amaudruz. Die Parteileitung der Schweizer Demokraten des Kantons Thurgau behaupet beispielsweise, die Strafnorm diene „einzig und allein der Unterdrückung einer anderen Meinung im Lande, vor allem bei Einwanderung, Asylleerlauf, Verschacherung unseres Landes und Verschleuderung unserer Rechte und Freiheiten“.

Völkermord an den ArmenierInnen

Der Schweizer Staat hat es – nicht zuletzt aus Rücksicht auf die wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei – bis jetzt unterlassen, den Völkermord an den ArmenierInnen in den Jahren 1917 bis 1919 offiziell zu anerkennen. Die widersprüchliche Haltung schweizerisches Behörden zeigte sich bei den Auseinandersetzungen um ein Postulat des Waadtländer Nationalrates Josef Zisyadis (Pda). Kurt Wyss, Schweizer Botschafter in Ankara, hoffte, „dass durch diese Angelegenheit die Normalisierung“ [zitiert in NZZ, 6. März 2001] der diplomatischen Beziehungen nicht leide. Und der Bundesrat kam dem Druck der türkischen Regierung entgegen und war nur bereit von „tragischen Geschehnissen, Massendeportationen und Massakern grosses Ausmasses“ zu sprechen. Auch der Nationalrat lehnte es im März 2000 knapp ab, dem Bundesrat den Gebrauch des Begriffes Völkermord nahe zu legen.

Auch ein Berner Gericht sprach Anfang September 2001 die Angeklagten frei , da diesen kein vorsätzliches Handeln aus rassistischen Motiven nachgewiesen werden könne und glaubhaft behauptet, aus reinem Patriotismus gehandelt zu haben. [Siehe beispielsweise Tages-Anzeiger, 15. September 2001] Dieser Freispruch erntete harsche Kritik: Marcel Alexander Niggli, Verfasser des einschlägigen Gesetzeskommentar, äusserte gegenüber der Aargauer Zeitung, wenn man diesem Urteil folge, könnten auch [Aargauer Zeitung, 15. September 2001] Anders Georg Kreis, Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus: „Das Urteil kann aber auch aus der Sicht der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, welche präventive und aufklärende Funktionen hat, befriedigen.“ [NZZ, 17. September 2001]